Glücklich und verwitwet

Das schöne Leben als Hinterbliebene: Christine Jensens makabrer Liederabend Wüste Witwen Wünsche im Metropolis  ■ Von Liv Heidbüchel

Solo zu sein hat seinen Reiz. Ist dieser Zustand für viele Menschen mit einem kaum erträglichen Einsamkeitsgefühl verbunden, gibt es dennoch einige, die vor Freude ausflippen möchten, wenn sie endlich ihre gähnend langweiligen Partner los sind. Auf die Spitze treibt es in dieser Richtung Christine Jensen, deren Solo-Gesangsprogramm Wüste Witwen Wünsche sich ganz dem Glück der Witwen widmet. Das klingt ziemlich makaber und genau danach steht Jensen auch der Sinn.

Die Stimmung auf der Bühne des Metropolis suggeriert erstmal pietätvolle Festlichkeit: Weiße Kisten fungieren als Sarg und Grabstein auf schwarzem Grund. Die einzigen Farbflecken in diesem Arrangement sind die bekannten Friedhofskerzen, windfest in rote Plastikbehälter gegossen. Schwingenden Schritts betritt Christine Jensen dieses minimalistische Bühnenbild. Bekleidet mit einem trägerlosen, schwarzen Abendkleid unter einem winzigen weißen Pelzjäckchen, dazu kontrastreich blutrot geschminkte Lippen – ganz die sexy Witwe. Ein klarer Fall: Kaum ist der Mann unter die Erde gebracht, begibt sich frau wieder auf die Suche. Von Trauer keine Spur – was auch der Schleier eher schlecht als recht verhüllt.

Entsprechend fidel kommt das Liedgut daher. Ursprünglich durchaus ernst Gemeintes wie „So muß allein ich bleiben“ aus der Fledermaus-Operette gerät zur Persiflage. Köstlich gemein zeigt sich Jensen bei der Interpretation von „Geben Sie acht“ von Georg Kreisler, der bekannt ist für seine beißende Ironie: Via Telepathie bringt die Akteurin im Lied ihre Männer oder nach Belieben auch andere Menschen um die Ecke. Für alle, die es wagen, sie „zum Schäumen“ zu bringen, hat schnell das letzte Stündlein geschlagen.

Doch nicht nur in der Haut der Teufelin scheint sich Jensen wohl zu fühlen. Die Schauspielerin zeigt sich auch beim betulichen Heintje-Schlager Es kann nicht immer nur die Sonne scheinen versiert. Überhaupt ist das überzeichnete Pathos ihre Stärke – und das kriegt besonders Celine Dion zu spüren: Der ätherische Titelsong des Kassenschlagers Titanic verkommt zur lachhaften Karikatur, wenn Jensen hemmungslos in die Blockföte trötet, um jeden Anflug von dramatischer Romantik im Keim zu ersticken.

Jensens sicherer, kraftvoller Sopran, unterstützt von Gabriele Blazy am Klavier, geleitet das Publikum durch ein breitgefächertes, wenngleich 20er-lastiges Programm. Dabei hat die seit knapp einem Jahr freischaffende Künstlerin das erste Mal in ihrer Karriere „überhaupt nicht ans Publikum gedacht“, sondern ist ganz nach eigenem Gusto vorgegangen. Ihr Faible für die Rolle der männerjagenden Witwe, die zu jedem Lied hingebungsvoll die Grabkerzen neu anordnet, garantiert den genreübergreifenden Zusammenhalt.

Fr, 9. Juli, 21.15 Uhr, Metropolis