Finnlandisierung

■ „Für Knäste ist noch Geld da“, taz hamburg vom 1.7.99

„In ganz Europa müssen zur Zeit neue Anstalten gebaut werden“. In ganz Europa? Nein – da gibt es ein kleines Land im Nordosten der Länderunion, das auf Kapazitätssteigerung gänzlich verzichtet. Man munkelt, daß es aufgrund der niedrigen Belegungszahlen eigentlich sogar zu Schließungen von Haftanstalten kommen müßte! In diesem Land wird die verhängte Strafdauer als „eher mild“ bezeichnet, werden jugendliche Straftäter grundsätzlich auf Halbstrafe entlassen, erwachsene Ersttäter grundsätzlich auf zwei Drittel. Wer es schafft, drei Jahre straffrei zu bleiben, wird bei erneuter Straffälligkeit als Ersttäter behandelt. Die Kriminalitätsrate ist sehr gering. Umgebaut wird allerdings auch hier. Dabei werden Haftplätze in geschlossenen Anstalten verringert, Möglichkeiten des halboffenen und offenen Vollzugs ausgeweitet. Und eine Sauna haben sie da auch, die Gefangenen. Das Land heißt Finnland.

Zugegebenermaßen hat Finnland nicht unser Heroinproblem, das die Knäste zuverlässig mit neuen Insassen versorgt und Frau Peschel-Gutzeit quasi dazu zwingt, neue Käfige zu bauen. Aber sollte unter Rot-Grün nicht etwas in der Drogenpolitik geschehen? (Da war doch was?) Würde das die Inhaftiertenzahl nicht minimieren? Und was machte Frau Peschel-Gutzeit dann mit den schönen neuen, aber leider leerstehenden Hafanstalten? Längere Strafen verhängen? Zusätzliche statt alternative Sanktionen einführen? Rückfallquote durch durch verfehlte Justiz- und Sozialpolitik sichern?

Karin Amann