Nike gegen adidas

■ Ein Arte-Themenabend untersucht das Millionenbusineß „Fußball“ (ab 20.45 Uhr)

Peter Mahrer ist Fußballfan. Er sitzt auf der Tribüne und fiebert und jubelt und weint vor Glück, wenn sein Team gewinnt. Aber sein Team heißt nicht FC oder Borussia oder trägt Nationalfarben. Sein Team heißt adidas, und mit dem Opernglas sucht Mahrer nicht nach Freude und Enttäuschung in den Gesichtern der Akteure, sondern überprüft, welcher Spieler welche Schuhe trägt. Wenn ein von der Konkurrenz ausgerüsteter Spieler einen Elfmeter verschießt, lächelt er süffisant: „Die falschen Schuhe.“ Nach dem Gewinn der Fußball-WM durch den adidas-Partner Frankreich werden genüßlich die zu erwarteten Mehrumsätze hochgerechnet.

Peter Mahrer ist eine der entscheidenden Figuren im „Kampf der Schuhe“, einer Dokumentation über die Auseinandersetzung zwischen Nike und adidas um die Vorherrschaft im Fußballartikelmarkt. „Kampf der Schuhe“ eröffnet den knapp viereinhalbstündigen Arte-Themenabend „Fußball – ein Millionenbusineß“, dessen Titel zu kurz greift. Behandeln weitere Beiträge doch den Einfluß der Politik auf das Spiel in Afrika und den Rassismus im brasilianischen Fußball, von dem Ex-Fifa-Präsident Joao Havelange behaupten darf, es habe ihn nie gegeben, nur um anschließend genüßlich widerlegt zu werden.

„Die WM war nur eine Schlacht, der Krieg geht weiter.“ Auch Albert Knechtel und Jacques Maigne, die drei der vier Dokus gedreht haben, bedienen sich des martialischen Tons, der von Nike-Chef Phil Knight in die Berichterstattung über das Thema eingebracht und von den Medien dankbar aufgegriffen wurde. Aber da sonst nie versucht wird, über die modische Abbildung des Schlachtengetöses hinauszukommen, hat „Kampf der Schuhe“ leichtes Spiel, indem es sich um die Hintergründe bemüht. Knechtel und Maigne folgen Mahrer zu Besprechungen, auf den Fußballplatz, ins Managertrainingslager. Sie schnappen die Beschwörungen auf, mit denen die adidas-Mitarbeiter zur Mannschaft zusammengeschweißt werden sollen. Manchmal ist es schockierend zu sehen, wie sehr ein Mensch sich selbst aufgeben kann und ein Spiel nicht mehr als Kräftemessen von Menschen, sondern nur mehr als Auseinandersetzung um Marktanteile begreifen kann.

Die Weltmeisterschaft dient nicht zur Ermittlung des weltbesten Fußballteams, sondern wird zur Bühne des Showdowns zwischen dem Erfinder der Schraubstollen und dem frechen Emporkömmling, zwischen alter und neuer Welt, zwischen Gut und Böse (je nach Blickwinkel). Wäre das jüngste Gericht im Angebot, adidas und Nike würden es als Werbeplattform mieten.

Sie reden von Marke, Produkt, Authentizität, Global players, Kreativität, Corporate identity, Performance und planen bereits die WM 2002. Effektvoll werden die Ausagen mit Ausschnitten aus Werbespots gegengeschnitten. Das Einmaleins des modernen Kapitalismus offenbart sich nirgendwo so hemmungslos wie im Profisport. Vor vier Jahren arbeitete Mahrer noch für Nike und zitterte mit der Konkurrenz.

„Kampf der Schuhe“ ist nicht ohne Defizite. Die Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer wird im Nebensatz erwähnt, ihre sozialen Implikationen aber nicht weiter erforscht. Auch die These, daß das Spiel immer mehr in die Hände der Sponsoren gerät, ist nichts Neues. Aber bisher hat das niemand fürs TV so konsequent aufgearbeitet. Letztlich, folgern Knechtel und Maigne, ist selbst die Gewalt in den Stadien ein Produkt der Ausbeutung des Fußballs durch die Sponsoren-Funktionärs-Mafia. Überraschend, wie offen die Verflechtungen von den dafür Verantwortlichen zugegeben werden. „adidas ist mein Wegbereiter“, bekennt Josef Blatter, neuer Präsident des Internationalen Fußball-Verbandes Fifa, und: „Ohne adidas wäre die Fifa heute nicht, was sie ist“. Doch weil sie ist, was sie ist, ist Fußball heute nicht mehr ein Spiel für Millionen, sondern in erster Linie um Millionen. Thomas Winkler ‚/B‘„Kampf der Schuhe“ (Doku), 20.45 Uhr; „Papa Diouf, der Spielevermittler“ (Doku) 22.15 Uhr; „Die unzähmbaren Tiger“ (Doku) 23.15 Uhr; „Die Farbe des Fußballs“ (Doku) 0.15 Uhr