Israelisch-arabischer Tabubruch am Nil

Die illustren Teilnehmer einer Nahost-Friedenskonferenz schwanken zwischen offener Häme und vorsichtigem Optimismus. An der Zukunft Jerusalems scheiden sich nach wie vor die Geister  ■   Aus Kairo Karim El-Gawhary

Es war wohl die umstrittenste Konferenz, die in den letzten Jahren in der ägyptischen Hauptstadt Kairo abgehalten wurde. Dafür sorgten schon die Teilnehmer der von der „Internationalen Allianz für einen Arabisch-Israelischen Frieden“ organisierten dreitägigen Veranstaltung: eigentlich eine Tabumischung aus ehemaligen israelischen Geheimdienstleuten, ägyptischen Botschaftern, jordanischen Generälen und palästinensischen Ex-Linken, alles in allem 250 illustre Teilnehmer. Sie waren vor drei Jahren in Kopenhagen angetreten, um den Nahost-Friedensprozeß von „Mensch zu Mensch“ zu retten.

Das eigentliche Politikum war die Tatsache, daß eine solche Konferenz überhaupt in der arabischen Welt stattfinden konnte. So schlugen die Wogen zur Freude der arabischen Presse hoch. Von ihren jeweiligen Hauptquartieren aus, zwei Fünfsternehotels im Herzen Kairos, beschimpften sich die beiden Lager: Die Normalisierungsgegner bezeichneten auf einer Gegenkonferenz im Shephard's Hotel die arabischen Teilnehmer der „Friedensallianz“ als „Verräter und Agenten“. Der Kopenhagener Kreis betitelte vom Marriott-Hotel aus die andere Seite als „die ewig gestrigen Hasser“. Im Marriott war man sich am Ende mit den israelischen Teilnehmern in den Forderungen an die neue israelische Regierung einig: „Schnelles Handeln, um den unter Benjamin Netanjahu in die Sackgasse gefahrenen Friedensprozeß zu retten.“

Doch schon jenseits dieser Forderungen wurden die unterschiedlichen Erwartungen deutlich. David Kimche, Mitbegründer der Kopenhagener Allianz und seines Zeichens ehemaliger israelischer Geheimdienstchef in Europa, glaubt daß der neue israelische Regierungschef Ehud Barak sich sofort daran machen wird, den Friedensprozeß voranzutreiben. Eine Ansicht, die auch der zur Konferenz kurzzeitig angereiste ehemalige israelische Ministerpräsident Schimon Peres teilte. Der palästinensische Ex-Linke und ebenfalls Mitbegründer des Kopenhagener Kreises, Riad Malki, warnte dagegen vor allzuviel Optimismus.

Einig waren sich die israelischen und arabischen Teilnehmer in ihrer Abschlußerklärung darin, das Prinzip „Land für Frieden“ anzuerkennen und in ihrer Forderung alle bisherigen Vereinbarungen zu erfüllen, den Siedlungsbau sofort zu beenden, die in israelischen Gefängnissen sitzenden Palästinenser freizulassen und einen unabhängigen palästinensischen Staat zu gründen.

Besonders das Thema Jerusalem sorgte für Aufregung. War die Stadt im Kopenhagener Gründungsdokument noch als „sensibles Thema“ angesprochen worden, einigte man sich nun auf die Formulierung, daß im „ungeteilten Jerusalem die nationalen Rechte der Israelis und Palästinenser“ anerkannt werden müssen.

Der Palästinenser Riad Malki betonte noch einmal, daß es einen palästinensischen Staat nur mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt geben könne. David Kimche antwortete („... mit allem Respekt für meinen Freund Riad Malki ...“), daß er jetzt eigentlich auch mit den von der Bibel unterstützten israelischen Anspruch auf Jerusalem als ewige Hauptstadt des jüdischen Staates kontern könne, sich das aber verkneife.

Jenseits der Tatsache, daß das Treffen überhaupt stattfand (Originalton Kimche: „Wir haben die Boykottwand durchbrochen“), bleibt für die Veranstalter wenig Positives zu vermerken. Kimche betonte, daß über 100 meist arabische Journalisten anwesend waren, von denen die meisten die ganze Veranstaltung allerdings verreißen sollten. Und auch die staatliche Unterstützung hielt sich in Grenzen. Die ägyptische Regierung sah sich im Dilemma. Sie wollte die Veranstaltung weder verbieten noch unterstützen. Ein erwartetes Grußwort von Präsident Husni Mubarak blieb aus.

Symptomatisch für die ganze Veranstaltung waren die Eröffnungsworte der Konferenz: Als Repräsentant des Hauptsponsoren, hatte der dänische Botschafter in Kairo, Harild Nilsen, versucht die Teilnehmer zu ermutigen. Mit etwas Hilfe von Temperaturen unter Null hätten die Vertreter der Friedensallianz in Kopenhagen erlebt, daß sie auf Wasser gehen könnten.

Möge dieser Erfahrung, daß fast alles möglich sei, den Teilnehmern in ihren Unternehmungen den Nahost-Friedensprozeß zu fördern helfen. Bei Kairoer Außentemperaturen von 35 Grad Celsius, mußten ähnliche Spaziergänge ausbleiben.