Querspalte

■ Die große Rache

Nach der präpubertären Phase, in der sie mich mit dem Brotmesser durch die Wohnung gescheucht hatte, verfiel meine Schwester auf eine subtilere Methode, meine Gemeinheiten zu kontern: „Ich weiß etwas ganz Schlimmes von dir, und wenn du nicht endlich die bescheuerte Musik (Gary Glitter, d. A.) leiser stellst, dann sage ich alles, was ich weiß, Mutti und Papi.“

„Mach doch, Tiffipiffi!“, höhnte ich zurück. Alles, wovon sie eine Ahnung hätte, passe doch bequem in einen bestimmten Artikel und dann wären immer noch zwei Buchstaben übrig. Doch ihr Tonfall hatte mich beunruhigt. War ihr aufgefallen, daß ich mich an der Likörkaraffe verging und den Pegel hinterher mit Zuckerwasser nivellierte? Oder hatte sie mich gar bei der Handentspannung beobachtet? Über ein Jahr lang drohte sie mir mit Enthüllungen, die sie wolkig „die große Rache“ nannte. Nach ein paar Wochen lachte ich nur noch darüber.

Am Wochenende gab der Doping-Experte Werner Franke diverse Interviews. Er hätte Beweise, erklärte er, daß sich mindestens ein Rennfahrer aus dem Team Telekom mit häßlichen Sachen versorgen ließ. Er kenne den Namen, aber nennen könne er ihn nicht. Und damit daheim vor den Transistorgeräten alle mitknobeln, ergänzte Franke, er sei zwar kein Radsportkenner, aber den Namen kenne er. Schade, daß das Spielchen nicht so weiterging: Der Fahrer hat einen großen Leberfleck im Schritt. Er kommt aus einem Ort der mit Z anfängt und besitzt ein Haustier, aber keines mit Flügeln. Dann monierte Franke die „unrühmliche Rolle einiger Politiker“, womit wahrscheinlich Scharping gemeint war. Der stand nämlich zeitgleich am Tatort in Frankreich, fummelte an knackigen Radfahrern herum und dozierte dabei: „Wenn es Dopingpläne geben sollte, dann muß man auch sagen, von wem.“ Dies ist ein freies Land, und Recht haben, das darf sogar er. André Mielke