Abgetaucht

Faszination Unterwasserarchäologie: Das Museum für Kunst und Gewerbe präsentiert „Schätze aus der Tiefe“ und ist um Anschaulichkeit bemüht  ■ Von
Hajo Schiff

Versunkene Schiffe sind Zeitkapseln. Und die noch junge Unterwasserarchäologie ist dabei, diese zu öffnen. Vor den Philippinen gesunkene chinesische Dschunken bieten einen Blick in die Welt der Seemacht China im 10. – 15. Jahrhundert und dokumentieren ihren ausgedehnten Handel, lange bevor die Europäer im Pazifik auftauchten. In aufwendigen Tauchexpeditionen wurden ganze Ladungen wertvollen alten Porzellans geborgen. Dieses „weiße Gold“, seine Geschichte, die Dokumentation seiner Bergung und die generelle Faszination der Unterwasserarchäologie zeigt jetzt eine Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe.

Die von einer Schweizer Werkzeugfirma gesponsorten Hi-Tech-Expeditionen des Privatforschers Franck Goddio sind ohne Zweifel teuer, äußerst aufwendig ist auch das von Deutschlands drittgrößter Bank unterstützte, in tiefes Blau getauchte und medienpralle Präsentationsdesign. „Wir finden die Ausstellungsarchitektur absolut fabelhaft“, bedankte sich Museumsdirektor Hornbostel beim Hauptsponsor, dessen leitende Herren für ihr Engagement ohne Probleme die Tradition fürstlicher Mäzene reklamieren.

Und doch beschleicht den Kritiker ein Unbehagen an soviel überwältigendem Jahrhundertwendeprunk, mit dem die Besuchermassen gelockt werden. Das nur seine handwerkliche Perfektion und schlichte Schönheit demonstrierende, etwa 800 Jahre alte Steinzeug aus Pujian allein würde sicher nur eine Handvoll Kenner und Sammler begeistern – deshalb scheint Inszenierung von Nöten. Doch was hat der Direktor des Nationalmuseums in Manila, der als Highlight die 500 Jahre alte Schale mit dem ungewöhnlichen Motiv des fliegenden Elefanten mitbrachte, gedacht, als er sah, wieviel Geld hierzulande in bloßes Drumherum gesteckt wird? Populär ist die Archäologie wegen ihrer von der Aura ferner Zeiten umwehten Prunkstücke. Dabei muß noch das schönste Original erst durch komplexe Bezüge bedeutend gemacht werden. Auch bei der Unterwasserarchäologie sind Tauchabenteuer und schöne Dinge nur ein winziger Bruchteil einer knochentrockenen Forschungsarbeit.

Franck Goddio braucht für seine Expeditionen soviel Förderung, da er eher Antworten auf offene Fragen als Schätze sucht und seine Fundobjekte nicht verkauft. Der Franzose, gelernter Ökonom und Mathematiker, gab erst mit 37 Jahren seine Managementkarriere auf und wandte sich der Unterwasserarchäologie zu. Sein Katamaran hat zwei Tonnen innovative Elektronik an Bord und ist antimagnetisch gebaut, um sein gemeinsam mit der französischen Atomenergiebehörde entwickeltes Ortungssystem optimal nutzen zu können. Auch hat er das globale Positionierungssystem GPS unterwassertauglich gemacht. Zwölf Schiffsausgrabungen hat der sportlich trainierte Privatforscher bereits erfolgreich durchgeführt, er gewann neue Erkenntnisse über die versenkte Flotte Napoleons und arbeitet seit 1996 an der Erfassung der unter Wassermassen begrabenen Königsstadt Kleopatras im weiten Hafenbecken von Alexandria.

Anders als seine schatzsuchenden Kollegen arbeitet Goddio legal mit den jeweiligen nationalen Behörden zusammen. Doch die Kapitäne der gescheiterten Schiffe taten das keineswegs immer: Die in einem bauchigen Krug unter Teeblättern entdeckten 700 Jahre alten bronzenen Armreifen mit dem Gewicht von 54 Kilogramm sind eindeutig Schmuggelware. Denn in der Sung-Dynastie war es durch kaiserliches Dekret verboten, Metall zu exportieren.

Auch wenn die für die Frankfurter Bankzentrale entwickelte Ausstellung in Hamburg nur zu Gast ist, gibt es neue Verknüpfungspunkte: Die Archäologie-Kustodin des Hauses, Cornelia Ewigleben, ist auch eine begeisterte Taucherin. Und damit sich diese Begeisterung weiter vermittelt, gibt es nicht nur Filme zum Thema und Gespräche mit Berufstauchern – an zwei Wochenenden können auch die Besucher nach Anmeldung direkt vor dem Museum in einem 25.000 Liter Wasser fassenden Container schnuppertauchen. Spätestens dabei wird einem klar, daß der Blick unter Wasser etwas anders funktioniert. Der Autor weiß, wovon er spricht. Er hat's probiert.

„Schätze aus der Tiefe – Weißes Gold: Versunken, entdeckt, verborgen“, Museum für Kunst und Gewerbe, bis 22. August. Schnuppertauchkurse: 31. Juli und 1. August. Das Metropolis zeigt ein begleitendes Filmprogramm.