Maßgeschneiderte Kommunikator-Rolle

■ Reden, reden, reden: Wirtschaftssenator „kämpft um jeden Arbeitsplatz“ Von Florian Marten

Für manche ist er ein oberflächlicher Schwätzer, für andere ein schlecht informierter Gesundbeter, für viele Behördenmitarbeiter ein ständiger Unruheherd: Erhard Rit-tershaus, auf dem Ticket der Statt Partei in der Wirtschaftsbehörde gelandeter Senator. Als der Ex-Manager dann noch bei der rituellen Jahresschluß-Pressekonferenz am Montag munter tönte „Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz!“, legte sich ein mildes Lächeln auf die Minen der Hamburger Wirtschaftsjournaille. Denn hier schien sich wieder mal manches Vorurteil aufs trefflichste zu bestätigen.

Ein genauerer Blick auf das Wirken des hemdsärmeligen Amtsfrischlings, der im behördeninternen Umgang schon mal recht grob und autoritär poltert, führt zu einem differenzierteren Bild: War die Wirtschaftsbehörde unter seinen vier Vorgängern Steinert, Lange, Rahlfs und Krupp ein verschnarchter Apparat, bei dem es „niemand in der Stadt bemerkt hätte, wenn wir den Laden einfach geschlossen hätten“ – so ein früherer Mitarbeiter zur taz –, hat Rittershaus seine Jungs und Mädels mittlerweile ordentlich in Schwung gebracht.

Rittershaus' Erfolgsgeheimnis fußt auf einer schlichten Erkenntnis: „Hamburg kann im internationalen und nationalen Subventionswettlauf nicht mithalten. Die Kunst einer effizienten Wirtschaftspolitik bei geringem finanziellen Handlungsspielraum besteht darin, das Problemlösungs-Know-how in dieser Region zusammenzuführen, Selbstverantwortung zu aktivieren und fehlende Mittel durch Ideen zu ersetzen.“

Dieses knappe Programm ist weit mehr als eine Sprechblase: Was unter seinem Vorgänger, dem blitzgescheiten, gleichwohl etwas arrogant-professoralen Hans-Jürgen Krupp in ersten Ansätzen begann, eine „dialogorientierte Wirtschaftspolitik“, findet jetzt wirklich statt. Rittershaus geht vor Ort, redet, bringt Leute zusammen und schafft damit nicht selten wirkliche Lösungen. Dieser Ansatz einer vernetzten und kommunikativen Politik sorgt nicht selten für handfeste Überraschungen. Als Rittershaus neulich die „maritimen Industrien“ an einen Tisch brachte, stellte manch ein Industrievertreter fest, „daß man gegenseitig von mancher Existenz gar nichts wußte“.

Der Politikansatz des Dialogs ist freilich keine Erfindung von Ritters-haus: Er ist das konzeptionelle Baby des Aufsteigers Theo Körner, der mittlerweile von Voscherau gar zum Chef des Planungsstabes in der Senatskanzlei befördert wurde. Für Rittershaus aber ist die Rolle des rastlosen Redners und Kommunikators vor Ort maßgeschneidert. Selbst wenn der nicht selten übertriebene Optimismus des Vizebürgermeisters manchem Gesprächspartner auf den Geist geht, setzt Rittershaus einen erfrischenden Kontrapunkt in der vergrämt-wehleidigen Standortdebatte, muntert er Industrie wie Verwaltung gleichermaßen auf. Und, für viele in der Wirtschaftsbehörde am Steinweg immer noch geradezu sensationell: Rittershaus geht es in der Regel nicht um glatte Verfahrensabläufe, gepflegte Ideologien und intellektuellen Glanz, sondern ganz schlicht um konkrete Ergebnisse.

In Sachen Wirtschaftsstrategie freilich ist Rittershaus ganz altmodisch, ein echtes Kind der betonvernarrten Wirtschaftswunderjahre: Elbvertiefung, Hafenerweiterung und Transrapid lautet sein infrastruktureller Katechismus. Neue Zukunftsentwürfe für eine ökologische und erneuerte Wirtschaft, die das Prinzip platter Weltmarktkonkurrenz mit regionalen Netzwerken aufmischen, hat der Mann vom Alten Steinweg nicht in der Schublade.

Anders aber, als viele Skeptiker in der SPD anfangs befürchteten, ist Rittershaus trotz seines Faibles für eine Gewerbesteuersenkung kein Wirtschaftsliberaler: Wenn der Anfang 1996 mit seinen norddeutschen Ministerkollegen, Gewerkschaftern und Unternehmern ein „Aktionsbündnis für Arbeit“ ansteuert, dann könnte auch hier stattfinden, was bereits das von ihm 1994 ins Leben gerufene Existenzgründer-Programm mit seinen mittlerweile 540 Existenzgründungen auszeichnet: Erfolg.