Wo flott die Albis fließt

■ Mit historischen Stadtplänen Hamburg ergründen Von Till Briegleb

Die Idee ist wunderbar, und für Menschen, die gerne in Plänen und Karten stöbern, um zu sehen, was wo wann einmal anders war, sollte es eine kleine Fundgrube sein. Der schmale Schuber Hamburg in historischen Stadtplänen zeigt die Entwicklung der Hansestadt in sechs Reproduktionen historischer Karten von 1589 bis 1947. Die Auswahl beginnt mit der Frühbarockstadt Hamburgum mit 35.000 Einwohnern, die sich auf mehrere Inseln zwischen der frisch angestauten Alster und der Albis verteilte. Grüne Marschlandschaft begann hinterm Alten Wall, damals noch eine wasserumspülte Wehr, beim Kloster St. Georg vor der Stadtmauer und auf den Brookinseln. Wenige Blocks dichtbebauter kleiner Häuser mit Feldern im inneren und vier majestätische Kirchen zeigt die fiktive Luftperspektive der frühesten Karte, auf der es geradezu unverschämt von Schiffen wimmelt.

Die zweite Topografie, Hamburg im Jahre 1701, zeigt dann schon die Grundform im Wallring, wie sie sich aus dem heutigen Stadtplan noch immer erahnen läßt. Alt- und Neustadt, zweitere Hauptsiedlungsgebiet von Juden und Armen, liegen jetzt fest umfaßt von der damals teuersten und aufwendigsten Wehranlage in Mitteleuropa, die auch Tilly und Wallenstein im Dreißigjährigen Krieg zur Verzweiflung brachte – ein Krieg übrigens, von dem Hamburg schwer zu profitieren wußte. Aus jener Zeit stammen so berühmte Orte wie das Millerntor, der Großneumarkt (damals Neuer Markt) oder die Oper, die als erste Bürgeroper 1678 am Gänsemarkt in Betrieb genommen wurde.

Ein Jahrhundert später zeigt die Karte die konkurrierenden Städte Altona (ehemals: „All zu nah“) und Hamburg. Letztere bereicherte sich gerade mal wieder am Krieg in Frankreich und den reichen Flüchtlingen der Französischen Revolution und erlebte als Kehrseite eines entfesselten Baubooms für Handelshäuser die schlimmste Wohnungskrise seiner Geschichte. Nur knapp ein Drittel der Hamburger Bevölkerung lebte damals noch in geordneten Wohnverhältnissen.

Über die letzte Karte vor dem Großen Brand von Hamburg 1842 und das Dokument des vollendeten gründerzeitlichen Wiederaufbaus mit den damals revolutionären Ingenieursleistungen in Kanalisation und Wasserversorgung durch Wiliam Lindley 1889 schließt die Sammlung mit dem Dokument einer Stadt, die die verheerenden Spuren des alliierten Bombenkrieges aufzeigt. Ein knapper historischer Überblick der Entwicklung Hamburgs vom Holzverschlag in der Ham (der Bucht) um 800 bis heute ergänzt die Karten.

So schön die Idee nun auch ist, so mangelhaft im Detail ist leider die Ausführung. Teilweise unverständliche Verkleinerungen der Karten, die das Betrachten schmerzlich werden lassen, unscharfe Reproduktionen, die das Lesen von Straßennamen behindern und ganze Stadtviertel zu schwarzen Klecksen verdichten, sowie das Fehlen von Legenden und Kennzeichnungen der wichtigsten städtischen Gebäude trüben den Entdeckergenuß leider doch oft etwas.

Hamburg in historischen Stadtplänen, Argon Verlag, 6 Karten, 1 Begleitheft, 68 Mark