Klappt hoch die Tür

■ „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ – ein Adventskalender für zwei bis vier MitspielerInnen Von Volker Stahl

Immer wieder zur Vorweihnachtszeit läßt sich ein Phänomen beobachten: Die Kaufhausregale, sonst eher mager mit Karten- und Gesellschaftsspielen bestückt, quellen über von solcherart mehr oder weniger geselligem Zeitvertreib; die Fernsehwerbung macht sich selbst überflüssig, indem sie vorführt, wie trefflich es sich im Freundes- oder Familienkreis aushalten läßt, ist nur das richtige Spiel zur Hand. Und neben Altbekanntem wie „Monopoly“, „Risiko“ oder dem Dauerbrenner „Mensch ärgere dich nicht“ finden rechtzeitig zur Bescherung auch viele neue Spielideen den Weg in die Läden.

Oder auch nicht. „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ ist der Arbeitstitel eines Spiels, das man frühestens im nächsten Jahr unterm Tannenbaum finden kann. Der Hamburger Autor Christoph Cantzler hat es sich in diesem Sommer ausgedacht. „Zu spät“, sagt Cantzler, „um es bis Weihnachten auf den Markt zu bringen.“ Denn die richtige Arbeit „beginnt erst nach der Idee“. Spielregeln müssen formuliert, Spielmuster gebastelt werden.

Der Gedanke, ein Spiel mit einem so winterlichen Thema zu machen, schoß dem 27jährigen bei fast 40 Grad durch den Kopf. Da saß er in seiner Eppendorfer Dachkammer am Schreibtisch, blickte aus dem Fenster auf zwei imposante Tannen und dachte plötzlich an Weihnachten. Genauer, an den Adventskalender, den er als Kind immer bekam. Den mit Schokolade. „Ich konnte mich nie beherrschen“, erinnert sich Cantzler. Die mütterliche Ermahnung „Nur ein Türchen am Tag!“ fruchtete wenig, der kleine Christoph grub nach kurzem Zögern hemmungslos nach den Süßigkeiten. Nach der dritten Tür packte ihn aber meist das schlechte Gewissen. „Dann habe ich die Schokolade zurückgepackt und die Türen wieder verriegelt, damit meine Mutter nichts merkt.“ Schlichtere Gemüter hätten diese nostalgische Gier vielleicht mit einem Beutel Mini-Mars beantwortet; Christoph Cantzler entwarf ein Adventskalenderspiel.

Mittelpunkt ist ein Tannenbaum mit 23 Türen und einer Pforte. Hinter jeder Tür steckt als Geschenk ein gelber Chip, die Pforte verdeckt den Weihnachtsstern, symbolisiert durch einen blauen Chip. Jeder Spieler muß reihum drei Türen öffnen, die Geschenke herausnehmen und eins wieder verstecken. Merkfähigkeit ist gefragt. Hat er etwa vom Klassiker „Memory“ abgekupfert? „Natürlich habe ich in mein Spiel auch bewährte Elemente einfließen lassen“, sagt Cantzler, „das läßt sich gar nicht vermeiden. Auch ein bißchen Poker ist dabei.“ Sieger wird nämlich derjenige, der darauf setzt, daß seine Mitspieler die Anzahl der von ihm zusammengerafften Geschenke nicht mehr übertreffen können. Er öffnet statt der drei Türen die Pforte mit dem dahinterliegenden Weihnachtsstern. Sackt ein Gegner doch noch ein Geschenk mehr ein, wurde zu hoch gepokert – der blaue Chip ist futsch und das Spiel geht weiter.

Drei verschiedene Prototypen brauchte es, bis Spieleautor Cantzler einigermaßen überzeugt war: „Ganz zufrieden bin ich nie, aber damit muß ich leben können.“ Das erste Muster bastelte er profan aus Eierkartons und Alufolie, testete es mit seiner Freundin und beschloß, am Thema dran zu bleiben.

Mittlerweile ist es Winter und auf dem Dachboden ziemlich eisig geworden. Cantzler sitzt nach zahllosen Testrunden mit Freunden und Bekannten noch immer am Schreibtisch und bosselt an Verbesserungen. „Im Februar fahre ich zur Spielwarenmesse nach Nürnberg und stelle ,Nicht nur zur Weihnachtszeit' einigen Verlagen vor.“ Wenn's klappt, ist Christoph Cantzlers mittlerweile viertes Spiel das erste, das auch vermarktet wird.