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Alptraum Ausländerbehörde

■ Service bleibt schlecht / Senat verwirft Pläne zur Dezentralisierung der Ausländerbehörde: zu teuer, zu ineffektiv, zu unkontrolliert Von Silke Mertins

Endlose Warteschlangen, Gedränge, genervte SachbearbeiterInnen, wochenlange Bearbeitungszeiten: Für 266.000 HamburgerInnen ohne deutschen Paß ist die Ausländerbehörde in der Amsinckstraße ein realexistierender Alptraum. Für alles und jedes muß ein erheblicher Teil der Hamburger Bevölkerung, so groß wie eine mittlere Großstadt, jeweils einen Tag Urlaub nehmen.

Ein zarter Hoffnungsstreif hatte sich am Horizont gezeigt, als die Bürgerschaft den Senat im Sommer ersuchte, zu prüfen ob die Ausländerbehörde dezentralisiert werden könne. Die Verlagerung in die Bezirksämter sollte nicht nur kürzere Wege und Wartezeiten, „Bürgernähe“ und „Service“ bringen, sondern die ausländische mit der deutschen Wohnbevölkerung gleichstellen. Für die Belange deutscher Staatsbürger sind nämlich die Bezirksämter vor Ort zuständig.

Jetzt ist er aus, der Traum von der nachbarschaftlichen Ausländerbehörde: Auf Empfehlung der Arbeits-gruppe in der Innenbehörde beschloß der Senat, alles zu lassen wie es ist. Wie aus SPD-Kreisen zu erfahren war, ergoß sich die Ablehnung auf einer 40seitigen Kosten-Nutzen-Analyse. Weniger wortreich ausgedrückt: Eine Dezentralisierung sei zu teuer, zu ineffektiv und schwer kontrollierbar.

Sechs Modelle entwickelte die Arbeitsgruppe. Erwogen wurde, verschiedene AusländerInnengruppen zu dezentralisieren, so etwa die EU-Bürger, AusländerInnen mit gesichertem Aufenthaltsstatus und solche mit befristeter Aufenthaltsbefugnis. Zusätzlich wurde überlegt, ob die Bearbeitung auf sieben „Kerngebiete“ oder 27 Einwohnerdienststellen verteilt werden sollte. Verworfen wurden am Ende alle Möglichkeiten.

Zwar würden bei allen Modellen die Wartezeiten und Wege verkürzt, „Integration“ und „Bürgernähe“ könne so gefördert werden, doch die Nachteile wögen schwerer. Es sei nämlich eine „Verzögerung der Sachbearbeitung“ zu befürchten. Weil die Akten nicht mehr zentral zugänglich seien und nicht alles aus einer Ausländerakte im Computer gespeichert werden könne, zöge sich die Bearbeitung in die Länge. Vor allem die „Kooperation mit anderen Dienststellen“ bei Abschiebung und Nachfragen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten würden „langwieriger und schwieriger“.

Außerdem, gibt die Arbeitsgruppe der Innenbehörde zu bedenken, müßten bei Umzug eines Ausländers die Akten an andere Bezirksämter verschickt werden. Das Fachpersonal könne bei einer Dezentralisierung nicht mehr so gut gesteuert werden. Ob Weisungen und Richtlinien eingehalten werden, sei dann unkontrollierbar. All das gilt allerdings, so meinen Kritiker innerhalb der Behörde, zum Beispiel auch für Sozialämter und das Einwohnermeldeamt. Obwohl auch deren Leistungen gesteuert werden müssen und mit anderen Behörden – Polizei oder Gerichte – kooperiert wird, sind diese Verwaltungsaufgaben dezentralisiert.

Wegen des „nicht ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnisses“ müsse man alle Modelle zur Dezentralisierung der Ausländerbehörde verwerfen. „Die Arbeitsgruppe empfiehlt daher, in Abwägung der Vor- und Nachteile von einer Dezentralisierung ausländerbehördlicher Aufgaben abzusehen.“ Schließlich habe sich in Köln, der einzigen Großstadt mit dezentralisierter Ausländerbehörde, das System nicht bewährt. Der Vergleich hinkt jedoch, weil in Köln noch immer nicht mit EDV gearbeitet wird.

Abschließend kleidet die Arbeitsgruppe den alten Status Quo in neue Worte. Als „Alternative“ schlägt sie vor, die Zentralstelle der Ausländerbehörde beizubehalten wie sie ist. Mit ein bißchen Kosmetik: „Intensivierung der Serviceorientierung“ und eine „kundenfreundliche Grundorientierung“. Solche entschlossenen Worte in des Sachbearbeiters Ohr.

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