Wrocklage kleinlaut abgeschoben

Rot-Grün einigt sich in nächtlicher Krisensitzung auf etwas humanere Abschiebepolitik und wendet Koalitionsbruch ab  ■ Von Sven-Michael Veit

Mit einem Kraftakt hat die rot-grüne Koalition in Hamburg in der Nacht zu Freitag ihren Zwist über die Abschiebepolitik der Ausländerbehörde beigelegt. In einer rund fünfstündigen Krisensitzung im Rathaus erzielten SpitzenpolitikerInnen von SPD und GAL eine „politische Verständigung“. Damit wurde ein Bruch der Koalition vermieden. Führende Grüne, allen voran Fraktionschefin Antje Möller, hatten in den vergangenen Tagen unverhohlen davon gesprochen, daß der Bestand der rot-grünen Koalition vom Ergebnis dieser Verhandlungsrunde abhängig sei.

Als sie und ihr SPD-Amtskollege Holger Christier am Freitag früh gegen 2.30 Uhr vor die Journalisten traten, die im Rathaus ausgeharrt hatten, zeigten sich beide erleichtert: „Wir haben in einer schwierigen Situation zusammengefunden“, meinte Christier. Und Möller erklärte im Hinblick auf die umstrittene Vorlage der Innenbehörde zur „beschleunigten Abschiebung von Asylbewerbern“ schlicht: „Das Papier ist vom Tisch.“

Nach der sieben Punkte umfassenden Verständigung (siehe auch Bericht Seite 6) muß die Ausländerbehörde künftig einen Amtsarzt als letzte Instanz einschalten, wenn sie „begründete Zweifel“ an einem ärztlichen Attest hat, das die Abschiebeunfähigkeit bescheinigt. Damit sei der behördlichen Willkür-Praxis, sich über angebliche „Gefälligkeitsgutachten“ hinwegzusetzen, ein Riegel vorgeschoben, glaubt Möller.

Künftig gilt zudem in Hamburg der grundgesetzliche Schutz von Ehe und Familie auch für Asylbewerber. Danach dürfen „Familienangehörige nur noch zusammen abgeschoben werden“. In dem Papier der Ausländerbehörde vom 28. April war die vermehrte Abschiebung einzelner Familienmitglieder als Ziel benannt worden. Abschiebehaft soll künftig nur in eng definierten Einzelfällen erlaubt sein; und Asylbewerber, die aus objektiven Gründen nicht abgeschoben werden können, sollen statt einer Duldung eine Aufenthaltsbefugnis und eine Arbeitserlaubnis erhalten.

Zudem wurde vereinbart, „über die konkrete Arbeit der Ausländerbehörde weitere Gespräche zu führen“. Die von der GAL geforderte Strukturdebatte über die Behörde und vor allem über deren Abteilung für „Aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ wurde somit auf die Tagesordnung der Koalition gesetzt.

„Das hat sich gelohnt“, resümierte Antje Möller zufrieden, während die SPD sich mit weiteren Kommentaren zurückhielt. Sie hatte ihren eigenen Genossen, Innensenator Hartmuth Wrocklage, bei dem Treffen ebenfalls mächtig unter Druck gesetzt. Der verteidigte sein umstrittenes Papier gestern kleinlaut als „Diskussionsanstoß, der zu Ergebnissen geführt“ habe.

CDU-Chefabschieber Heino Vahldieck bezeichnete den Innensenator hingegen als „Verlierer“. Notwendige Abschiebungen würden jetzt „erschwert“. Der Arbeitskreis Asyl hingegen bescheinigte der Behörde einen „Teilsieg“, Susanne Uhl (Regenbogen) kommentierte das Ergebnis knapp und vernichtend: „Nein. Es ist nicht gut.“