Scheitern im Kampf gegen Gideon

■ Adolfo Mekas war ein fröhlicher Independent-Filmemacher in einer Zeit, als die Moderne noch modern war. Sein „Hallelujah the hills“ wird im Babylon Mitte gezeigt

Eine Weile ist es schon her, daß man sehnsüchtig auf den neuen Film von Alexander Kluge wartete und sich nächtelang darüber stritt, ob nun Godard oder Achternbusch wichtiger sei. Irgendwann in den achtziger Jahren jedenfalls schien die Zeit des – wie soll man sagen – unabhängigen, intellektuellen, politischen, poetischen Autorenkinos vorbei zu sein, das in den sechziger Jahren seinen Höhepunkt erreicht hatte. (Ob das Autorenkino mit der „Dogma“-Gruppe ein größeres Revival erleben wird oder ob es sich bei „Dogma“ lediglich um eine singuläre Erscheinung handelt, bleibt abzuwarten.)

Was in Frankreich die Nouvelle vague war im Amerika der Beat generation das Neue Amerikanische Kino, dessen junge Vertreter (u. a. Jonas und Adolfo Mekas, Peter Bogdanovich, Robert Frank, John Cassavetes) sich gegen die Konventionen des kommerziellen Films wandten. „Dem offiziellen Film in aller Welt geht der Atem aus“, hieß es hoffnungsfroh in der ersten Erklärung der Gruppe „Neuer Amerikanischer Film“ von 1960. „Er ist moralisch korrupt, ästhetisch überlebt, thematisch oberflächlich, vom Temperament her langweilig [...]. Wir haben genug von der großen Lüge im Leben und der Kunst“ und „wir wollen keine falschen, polierten, glatten Filme – wir möchten sie rauh, unpoliert, aber lebendig“.

Einer der vergessenen Protagonisten dieses Kinos war Adolfo Mekas, von dem die Legende erzählt, er habe Blätter gegessen, um, als wahnsinnig eingeschätzt, nicht am Vietnamkrieg teilnehmen zu müssen. Das Babylon Mitte zeigt am 10. und am 13. Juli seinen Film „Hallelujah the hills“, der zu den wenigen auch kommerziell erfolgreichen Experimentalfilmen des Neuen Amerikanischen Kinos gehört.

„Hallelujah the hills“ ist ein an Zitaten reicher, fröhlich-verspielter Film im schönsten Schwarzweiß, mit einer sich öffnenden Kamera-Iris am Anfang, eleganten Auf- und Abblenden, allerlei hübschen Stummfilmtiteln und einer tollen Szene, in der viele junge Mädchen wie Vögel auf einem Baum sitzen. Ein Kunstfilm, der sich über den Kunstfilm lustig macht, Filme der jungen Nouvelle vague variiert (Resnais „Last year at Marienbad“), eine Szene aus D. W. Griffith' „Way down west“ fast wörtlich zitiert, manchmal an die „Kleinen Strolche“, manchmal an Laurel-&-Hardy-Filme erinnert.

In der Geschichte, die man beim Gucken schnell aus den Augen verliert, geht es um Jack und Leo, die sieben Jahre lang um Veras Liebe werben. Jack besucht Vera im Winter bei ihren Eltern, Leo besucht Vera im Sommer. Den Rest des Jahres verbringen die beiden jungen Männer in den Wäldern beim Campen, Jagen und spielen. Sie spielen Großwildjagd, Krieg und kämpfen als säbelschwingende Korsaren gegen ihren Nebenbuhler Gideon, der letztlich gewinnt. Nichts, was die Helden beginnen, gelingt. Die Mittel, die sie einsetzen, sind immer unzureichend. Wenn sie sich eine Dose Corned beef warm machen wollen, errichten sie einen riesigen Holzstoß. Nur scheiternd kann man gewinnen. Scheiternd wehrt sich das Leben dagegen, zur Geschichte zu erstarren. Vor allem aber läßt sich das Scheitern viel besser und lustiger dramatisieren. Das weiß jedes Kind. Deshalb mögen Kinder Slapstickfilme. Und nach jeder Niederlage sagt einer den Satz: „Ich denke, wir haben es wieder einmal geschafft.“

„Hallelujah the hills“ spielt in einem Kinderland, in dem man die Gewalt der Verhältnisse noch dadurch entkräften kann, daß man sie spielt. „Vorgeformte Figurationen als solche zu erkennen und ironisch distanziert zu präsentieren und dieses alles aufzulösen in Poesie ist die Kunst, die hier gelungen ist“, schrieb der Filmkritiker Peter M. Ladiges. Detlef Kuhlbrodt ‚/B‘ „Hallelujah the hills“ von Adolfo Mekas (1963, 90 Min.), 10. 7. um 21.30 Uhr und 13. 7. um 22 Uhr im Babylon Mitte, Rosa-Luxemburg-Straße 30