„Eine Gabe der Götter“

■ Ein Gespräch mit dem indischen Musiker Premkumar Mallik über Hofmusik, Familientradition und die Gesangsstile Dhrupad und Rap

Der Name Premkumar heißt auf Deutsch soviel wie „Prinz der Liebe“. „Prince of Love“ soll deshalb auch Premkumar Malliks nächstes Album heißen – ein ziemlich poppiger Titel für den Sproß einer traditionellen Hofmusikerdynastie aus dem wilden Osten Indiens. Doch der indische Musiker kennt keine Berührungsängste: Demnächst steht er mit der britischen Rockband Kula Shaker in Cornwall auf der Bühne, bei einem Festival zur anstehenden Sonnenfinsternis. Derzeit weilt er als Gast des DAAD-Künstlerprogramms in Berlin.

taz: Was heißt es, aus einer Hofmusikerfamilie zu stammen?

Premkumar Mallik: Ich komme aus Darbhanga, einer Stadt an der Grenze zu Nepal. Hier war einst die Residenz der Maharadschas, an deren Hof meine Vorfahren Radhakrishna und Kartaram vor mehr als 200 Jahren durch das Singen des magischen Regenragas Megh eine mehrjährige Dürreperiode beendeten. Unsere Familienchronik sagt, daß die beiden Brüder nach ihrem Konzert vor dem Kalitempel bis zur Brust im Wasser saßen. Die Stelle, an der das geschah, kann man heute noch sehen. Daß diese Geschichte einen historischen Kern haben muß, beweist die verbriefte Tatsache, daß meine Familie damals von Maharadscha Madhav Singh das Dorf Amta samt den umliegenden Ländereien bekam. Mein Bruder Ramkumar lebt bis heute dort – ein ganz seltener Fall, daß indische Musiker noch immer ein Stück Land besitzen, das ihnen zur Mogulzeit verliehen wurde.

Das Patronat der Maharadschas gibt es heute nicht mehr. Wie können Sie von Ihrer Musik leben?

Schon damals haben meine Vorfahren Landbesitz zuerst abgelehnt, weil sie befürchteten, ihre Nachkommen würden das Interesse an der Musik verlieren und zu Bauern werden. Deshalb blieb immer nur ein Zweig der Familie auf dem Dorf, der andere lebte am Hof der Maharadschas in Darbhanga. Der letzte eigentliche Hofmusiker unserer Familie war Ram Chatur Mallik, der 1991 starb.

Nach dem Ende der Maharadschas haben wir begonnen öffentliche Konzerte zu geben und im Rundfunk und Fernsehen aufzutreten. Mein Vater Bidur Mallik hat von den Einkünften unserer ersten Europatournee 1983 in unserem Dorf einen Tempel gestiftet. Mittlerweile hat er sich nach Vrindaban zurückgezogen, an den Geburtsort Krishnas, und unterrichtet dort an einer von ihm selbst gegründeten Schule. Bezahlen müssen die Schüler nichts. Unsere Familientradition sagt, daß unsere Musik so lange weiterleben wird, wie wir sie nicht verkaufen, sondern als eine Gabe der Götter an die Menschen weitergeben.

Und wie wird die Familientradition fortgesetzt?

Mein Bruder Anandkumar lebt ebenfalls in Vrindaban. Ramkumar, unser ältester Bruder, unterrichtet an der Universität von Darbhana; ich selbst habe seit über 15 Jahren eine Professur für Gesang an der Universität von Allahabad. Meine Söhne Prashant und Nishant, 10 und 15 Jahre alt, geben bereits Konzerte. Daß auch meine zwölfjährige Tochter Priyanka öffentlich auftritt, ist etwas Neues – bisher waren den Frauen der Hofmusikerfamilien öffentliche Konzerte nicht gestattet

Was bedeutet der Musikstil Dhrupad?

Dhrupad ist der älteste überlebende Kunstgesangsstil Nordindiens. In den 60er Jahren begannen westliche Musiker und Komponisten in diesem Stil eine Art Vorläufer der damals auftauchenden Minimal music zu sehen. Die für den Dhrupad typische Intonation von Mikrointervallen und die sehr systematische und abstrakte Gestaltung eines Konzerts stellen tatsächlich eine Gemeinsamkeit dar. Ich finde es jedoch amüsant, daß die Minimal music im Westen mittlerweile bereits als Vergangenheit gehandelt wird, während Dhrupad sich immer noch weiterentwickelt. Genausogut könnte man sagen, daß Dhrupad ein Vorläufer des Rap ist, denn die rhythmische Artikulation von Texten in Stakkato-Rhythmen ist ein weiterer wesentlicher Bestandteil einer Dhrupad-Aufführung. Allerdings muß ich dazu sagen, daß wir auch die Rapper schon vor einigen Jahrhunderten überholt hatten, was Komplexität und Tempi angeht.

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Ich bin schon zum siebtenmal in Berlin. 1997 war ich der einzige indische Gastmusiker des „Pakistani Soul“-Festivals. Zwischen Musikern gibt es die Probleme nicht, die die Politiker unserer beiden Nachbarländer miteinander haben. Zur Zeit arbeite ich an einem Arte-Filmprojekt, an dem Musiker aus sieben Ländern beteiligt sind. Zwei Monate hat mir der DAAD dafür zugestanden, was natürlich bei weitem nicht reicht. Immerhin bin ich der erste indische Gast des Künstlerprogramms seit fast 20 Jahren. Es ist anscheinend immer noch nicht selbstverständlich, uns den Status zeitgenössischer Künstler zuzugestehen.

Interview: Peter Pannke ‚/B‘ Heute, 20 Uhr, Passionskirche am Marheinekeplatz