Hinter manchem Frisörgeschäft steckt eine Moschee

Gestern stellte die Ausländerbeauftragte Barbara John eine Studie von Studierenden der Humboldt-Universität über die Moscheen und das islamische Leben in Berlin vor. Sie soll nun helfen, das Mißtrauen und Unbehagen gegenüber Muslimen abzubauen  ■   Von Songül Çetinkaya

Es gibt viele verschiedene Moscheen in Berlin. Manche befinden sich in einfachen Wohnungen, andere in Ladenlokalen, Fabriketagen und Hinterhöfen. Nur vier der rund achtzig Moscheen Berlins sind aber tatsächlich architektonisch als solche erkennbar.

Studierende der Humboldt-Universität aus den Fachbereichen Islamwissenschaft und Stadtsoziologie widmeten ihre Aufmerksamkeit in der Zeit vom Herbst 1997 bis zum Sommer 1998 in einem interdisziplinären Projektseminar der Situation der Berliner Moscheen. Unter Anleitung der Religionswissenschaftlerin Gerdien Jonker und des Sozialwissenschaftlers Andreas Kappan untersuchten die StudentInnen unter anderem die Lage der islamischen Gotteshäuser, ihre sozialen und religiösen Angebote, ihren Umgang mit Frauen und Kindern und die Probleme der Kommunikation und Anerkennung der Muslime im Kiez.

Die Ausländerbeauftragte von Berlin, Barbara John, stellte gestern das Ergebnis dieser Arbeit vor. „Moscheen und islamisches Leben in Berlin“ nennt sich die rund siebzig Seiten umfassende Broschüre, die dazu beitragen soll, „die noch zu häufig anzutreffende Mauer aus Mißtrauen, Unbehagen und Fremdheitsgefühlen gegenüber muslimischen Gemeinden abzubauen“, so John.

Die zentrale Frage der Untersuchung galt dem Integrationspotential der islamischen Gemeinden. Tragen die muslimischen Gebetsstätten mit ihrem religiösen Gemeindeleben zur Integration bei, oder betreiben sie eine Politik der Abgrenzung, die sich nachteilig auf das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen in dieser Stadt auswirkt? Die Studierenden begleiteten das Gemeindeleben über einen längeren Zeitraum hinweg und stellten fest, daß die Moscheen in Berlin, anders als in islamischen Ländern, neben der religiösen Betreuung auch kommunikative und soziale Funktionen übernehmen. So werden den Mitgliedern Deutschkurse, Rechtsberatung und Hausaufgabenhilfe angeboten. Dem Bericht nach zählt dies zur „integrativen Arbeit“ der Moscheen. Auch die Jugendarbeit wird der Studie zufolge großgeschrieben. So können Jugendliche in Berliner Moscheen Billard oder Fußball spielen, Computerkurse besuchen und um die Welt „surfen“. Einige wenige sprechen sogar absichtlich nur junge Leute an, wie zum Beispiel im Kreuzberger Kiez SO  36.

Moscheen in Berlin werden im allgemeinen von Muslimen beiderlei Geschlechts und jeden Alters besucht. Die Studierenden fanden heraus, daß die meisten Gebetshäuser über eigene Räume für Frauen verfügen, was in islamischen Ländern nicht üblich ist. Wenn eine Moschee keinen eigenen Frauenraum besitzt, beten die Frauen, wie in den islamischen Ländern auch, hinter einem Vorhang oder aber während spezieller Zeiten, in denen Männer die Moschee nicht betreten.

Die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten stellt eines der größten Probleme der in Berlin lebenden Muslime dar. Dies hängt einerseits mit wenig kooperativen Bezirksverwaltungen zusammen und andererseits mit eigenen finanziellen Restriktionen. Die meisten Moscheenvereine finanzieren sich ausschließlich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Zur finanziellen Unterstützung werden dann auch schon mal Frisörgeschäfte oder Reisebüros in den Vereinsräumen eingerichtet.

Bei ihrer Vorstellung wurde die Studie in mancherlei Hinsicht als lückenhaft bezeichnet. So kritisierte Mohammed Herzog, Vorsitzender der islamischen Gemeinde deutschsprachiger Muslime und Freunde des Islam Berlin e. V., daß in der Broschüre kaum Aufklärung hinsichtlich deutscher Muslime stattfinde.

Auch wurde kritisiert, daß die Berliner Aleviten, eine religiöse Minderheit des Islams, von der Studie ausgeschlossen wurden. Dies hänge damit zusammen, daß die Aleviten „anstelle der Moschee einen anderen Versammlungsort, den cem evi aufsuchen, so Jonker. Ein Sprecher des Kulturzentrums anatolischer Aleviten entgegnete, daß der Titel der Broschüre dann aber nicht „Moscheen und islamisches Leben in Berlin“, sondern „Moscheen und sunnitisch-islamisches Leben in Berlin“ heißen müsse.