Kühlturm erhitzt die Gemüter

■  Bezirksverordnete kritisieren Entwurf und Wettbewerb für das Neue Tempodrom: Dach ist zu hoch, Öko-Konzept nicht mehr erkennbar. Bürgermeister Schulz kommt unter Druck

Die Planungen des Hamburger Architekturbüros von Gerkan, Marg und Partner für das Neue Tempodrom stoßen im Bezirk Kreuzberg auf wenig Gegenliebe. Auf einer Sitzung des Stadtplanungsausschusses am Donnerstag abend mußten sich die Projektleiter des Büros nicht nur harsche Kritik an ihrem Entwurf gefallen lassen. Auch Tempodrom-Chefin Irene Moessinger wurde vorgehalten, das Projekt verstoße durch seine Größe und sein Konzept gegen die ursprüngliche Idee eines alternativen Kulturstandortes im Bezirk. Insbesondere kritisierten die Stadtverordneten von SPD und Grünen die Höhe des Neuen Tempodroms und das fehlende ökologische Konzept.

Vor vier Wochen hatte der Stiftungsrat Neues Tempodrom nach einem internen Verfahren unter drei Teilnehmern den Entwurf Gerkans ausgewählt und frühere Pläne fallenlassen. Der 32 Millionen Mark teure Bau am Anhalter Bahnhof mit einem 32 Meter hohen kühlturmförmigen Dach soll 2001 fertggestellt werden.

Nach Ansicht von Leo Hölscher (Grüne) stellt der „klotzige“ Gerkan-Entwurf für das Neue Tempodrom „das Gegenteil von dem dar, was wir eigentlich an dem Standort wollten“. Sowohl die Höhe des Daches mit über 30 Metern als auch die baulichen Eingriffe in die Naturfläche am Landwehrkanal mißachteten den bestehenden Bebauungsplan des Bezirks.

Zugleich unterstellte Hölscher den Architekten, bei einer Planungszeit von nur zwei Monaten könnten die verlangten technischen Nachweise für das Gebäude nicht fundiert erbracht worden sein. „Ich glaube nicht, daß Sie den Schall- und Wämeschutz ordentlich abgeprüft haben“, sagte er. Außerdem sei fraglich, ob angesichts einer weiteren Überarbeitung die Kriterien der Energieeinsparung bei dem Öko-Zelt überhaupt erfüllt werden könnten.

Kritik an dem Verfahren äußerten auch die Mitglieder der SPD-Fraktion. Nach Ansicht von Michael Rädler sind die früheren Entwürfe regelrecht „rausgekippt“ worden. Der Stiftungsrat habe das renommierte Hamburger Architekturbüro – Gerkan baut in Berlin den Lehrter Zentralbahnhof und modernisiert das Olympiastadion – „handstreichartig aus dem Hut gezaubert“. „War das überhaupt ein Wettbewerb? fragte Rädler.

Sollte die Grünen-Fraktion ihr Ansinnen wahr machen, im Bezirksparlament gegen den Entwurf zu stimmen, kommt Franz Schulz, Kreuzbergs bündnisgrüner Bügermeister, in eine vertrackte Lage, unterstützt er doch den neuen Entwurf. Er halte die Planung der Hamburger Architekten für „überzeugend“, sagte Schulz am Donnerstag. Die Pläne seien bereits überarbeitet worden, Dach und Treppenanlage nicht mehr so hoch. Auch gelinge es dem Entwurf, sich stadträumlich in die Fläche zwischen Anhalter Bahnhof und Landwehrkanal einzufügen.

Gleichzeitig räumte Schulz ein, daß angesichts der „Massivität“ des Entwurfs und bezüglich der Erschließung des Kulturzelts noch Nachbesserungen nötig seien. Außerdem schlug der Bürgermeister vor, daß der beschlossene Sportplatz, der vor dem Tempodrom entstehen soll, auf einen alternativen Standort südlich des Kanals verlegt werden könnte.

Auch Tempodrom-Chefin Moessinger verteidigte die Gerkan-Pläne. Der Entwurf sei „gut erarbeitet“ worden und passe in die Stadtlandschaft am Anhalter Bahnhof. Außerdem seien Gespräche mit der Post geführt worden, um deren leerstehendes Areal an der Möckernstraße mit 500 Autoparkplätzen nutzen zu können.

Rolf Lautenschläger