Warmer Handel, frostige Politik

Japan und China einigen sich in Fragen des Handels, aber politisch kommen sich die zwei wichtigsten Großmächte Asiens mal wieder nicht näher  ■   Aus Tokio André Kunz

Japans Premier Keizo Obuchi hat in Peking einen kleinen Coup gelandet. Es gelang ihm als erster Staatschef eines G-7-Landes, sich mit der chinesischen Führung über die Aufnahme der Volksrepublik in die Welthandelsorganisation (WTO) zu einigen. Dies steht in starkem Kontrast zu den anhaltenden Differenzen der beiden asiatischen Großmächte in Sicherheits- und Territorialfragen, die Obuchi bei seinem zweitägigen Besuch nicht ausräumen konnte.

Die Volksrepublik China ist ihrem gewünschten WTO-Beitritt einen bedeutenden Schritt nähergerückt. China verpflichtete sich, seinen Dienstleistungssektor für japanische Unternehmen zu öffnen. Liberalisiert werden soll der Markt für Telekommunikation, Bau und Finanzdienstleistungen. Die Einigung mit Japan in dieser wichtigen Frage dürfte einen entscheidenden Einfluß auf die kommenden Gespräche mit der Europäischen Union und den USA haben. Obuchi bewies damit in seinen Gesprächen mit Staats- und Parteichef Jiang Zemin, Parlamentschef Li Peng und Ministerpräsident Zhu Rongji, daß er als früherer Außenminister auf dem diplomatischen Parkett auch bei schwierigen Themen Standsicherheit besitzt.

Weniger erfolgreich verliefen dagegen die politischen Gespräche. China steht der geplanten Stationierung des US-Raketenabwehrsystems TMD („Theatre Missile Defense“) in Japan ablehnend gegenüber. Tokio rechtfertigt die Aufrüstung mit der zunehmenden Bedrohung durch nordkoreanische Mittelstreckenraketen. Im vorigen August war eine nordkoreanische Rakete über Japan geflogen und hatte dort für Unruhe gesorgt. Nachdem Pjöngjang jetzt die Vorbereitungen für eine weiteren Raketentest abgeschlossen hat, versuchen Japan und die USA über verschiedene diplomatische Kanäle die Führung in Pjöngjang davon zu überzeugen, daß ein weiterer Raketentest ernsthafte Folgen haben könnte. Obuchi teilte diese Sorgen auch den chinesischen Gesprächspartnern mit, erhielt aber keine Zusage, daß Peking entsprechenden Druck auf das Regime in Pjöngjang ausüben werde.

Keine Zustimmung erhielt Obuchi in Peking zur erweiterten Sicherheitszusammenarbeit mit den USA. Schon im Vorfeld des Besuches kommentierten chinesische Parteiblätter die neuen Richtlinien des Sicherheitsbündnisses als ein „strategisches Komplott zur Ausübung regionaler Hegemonie“. Peking stört die qualitative Veränderung von einer defensiven zu einer offensiven militärischen Zusammenarbeit Japans mit den USA. Nippon mußte auch erklären, wie es reagieren würde, wenn die USA zum Schutze Taiwan militärische Schritte gegen China einleiten sollten. Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und behält sich das Recht vor, eine Wiedervereinigung notfalls mit Gewalt zu erreichen. Doch Tokio weicht hier einer klaren Antwort aus und führt den Standpunkt, nur die Volksrepublik China diplomatisch anzuerkennen, ins Feld.

Peking hofft, daß mit der Einigung in WTO-Fragen nun auch die japanischen Direktinvestitionen wieder stärker fließen. 1998 gingen die Investitionen japanischer Konzerne im Reich der Mitte um 27 Prozent auf rund 3,1 Milliarden US-Dollar zurück. Japans Handelsministerium geht für 1999 von einem weiteren Rückgang auf unter 3 Milliarden Dollar aus. Bevor die Japaner wieder investieren, muß China aber erst Importverbote für japanische Stahlkonzerne, die in China in Joint-ventures produzieren, aufheben.

Erstmals stand bei diesem Treffen die Frage der Geschichte nicht im Vordergrund. Chinas Staats- und Parteichef Jiang Zemin hatte es bei seinem letzten Japan-Besuch im Oktober noch als Affront aufgefaßt, daß sich Obuchi nicht schriftlich für die japanischen Greuel im Zweiten Weltkrieg in China entschuldigt hatte.

Vor seiner heutigen Weiterreise in die Mongolei übergab Obuchi noch ein sinnvolles Geschenk. Mit umgerechnet rund 150 Millionen Mark wird Japan sich an der Aufforstung in China beteiligen.