Polizei schützt Nazis

Bei ihrem Aufmarsch in Bergedorf ließen die Rechten die Waffen-SS hochleben. Über 100 linke Gegendemonstranten eingesackt  ■ Von Peter Müller

Die Polizei des rot-grünen Senats macht's möglich: Unter dem Motto „frei, sozial, national“ marschierten am Samstag 500 „Freie Nationalisten“ durch die Bergedorfer City. Tausende PolizistInnen und Dutzende Wasserwerfer und Panzerwagen sicherten den Aufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung. Sämtliche Gegendemos waren von der Polizei verboten. Ungehindert konnten die Neonazis bei ihrer Demo durch Lohbrügge unter Polizeischutz selbst verbotene Parolen wie „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ skandieren. Die Polizei nahm indes bei Auseinandersetzungen 97 Antifaschisten in Gewahrsam und 41 Personen fest.

In der Nacht zum Samstag hatte das Oberverwaltungsgericht die Demo-Verbote bestätigt, zu denen das „Bündnis gegen Faschismus“ aufgerufen hatte. Und so nahm das Polizei-Szenario seinen Lauf. Schon am frühen Morgen des Tages herrscht in Bergedorf Belagerungszustand. Dennoch gelingt es mehren Dutzend Menschen, sich vor dem Bahnhof zu sammeln.

Der Vorplatz wird aber geräumt, als 50 militante Neonazis aus Halstenbek eintreffen. „Nazis raus“, hallt es. Als die Rechten skandieren, „hier marschiert der nationale Widerstand“, fliegen Eier und Flaschen. Die Polizei greift sofort ein und nimmt eine Person fest. Das gleiche Bild wiederholt sich, als der „Hamburger Sturm“ aufmarschiert. Derweil werden Protestler auf den Bahnsteigen aufgehalten und wieder in Zügen Richtung Hamburg geschickt. Dann wird der Zugverkehr eingestellt und Straßensperren errichtet.

Auf dem Frascati-Platz nehmen derweil die Neonaziführer Thomas Wulff und Christian Worch das Zepter in die Hand. Auch Stefan Hupka, der wegen Aktionen der „Nationalen Front“ im Knast gesessen hat, und Manfred Börn, Ex-Boß der verbotenen Wiking-Jugend, sind mit von der Partie. Worch beklagt in seiner Rede, daß sie vor fünf Wochen nach Ludwigslust ausweichen mußten, da „Störungen linksextremistischer, anarcho-kommunistischer linksfaschistischer Kräfte“ erwartet wurden.

Auch dieses Mal seien sie „in ultimativer Weise von der Polizei gezwungen worden“ wettert Worch, „einer Verlegung nach Bergedorf zuzustimmen“. Aufmarsch-Anmelder Alexander von Webenau vom Nationaldemokratischen Hochschulbund faselt etwas von „Heldentaten der Wehrmacht und der Waffen-SS“ und schimpft auf die „bolschewistische Schandausstellung“.

Während der Neonazi-Kundgebung geht die Polizei am Schloßpark zur Sache. Mehrfach wird die Fußgänger-Zone geräumt, Dutzende Protestler werden „in Gewahrsam“ genommen und Demonstranten aus Angst vor Flaschen- oder Eierwürfen abgedrängt. Dabei wird der ursprüngliche Demo-Anmelder Andreas Grünwald festgenommen. „Andreas hat die ganze Zeit deeskalierend gewirkt“ empört sich die GEW-Vorsitzende Inge Ammon.

Mit Verspätung setzt sich der paramilitärische Marsch in Bewegung. Am Schloßpark dann das Aufeinandertreffen. Hinter einer Sperre haben sich erneut mehrere hundert Menschen versammelt. „Nazis raus – Nieder mit der Nazi-Pest“, brüllen sie. Als Farbeier auf Polizisten und Rechte fliegen, gehen Greiftrupps vor und nehmen mehrere Personen fest.

Nahezu unbehelligt ziehen die Nazis weiter. Selbst als sie erneut im Beisein von Polizeipräsident Justus Woydt und Innensenator Hartmuth Wrocklage „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ skandieren, passiert nichts. Hingegen setzt die Polizei am Lohbrügger Markt sogar Wasserwerfer ein, um Linke und Antifas zu vertreiben.

Der mehrstündige Marsch der Nationalisten endet wieder am Frascati-Platz. Aber auch dortist die Polizei weiter hilfsbereit und ordert HVV-Busse, um die Rechten eskortiert von einer Hundertschaft sicher nach Halstenbek zu fahren. Zeitgleich verprügeln in Lohnbrügge Neonazis eine Frau, die zuvor gegen den Aufmarsch demonstriert hatte, und verletzten sie schwer.

Siehe auch Bericht Seite 5