Fest für Ellbogen

■ Stars der Breminale: Palmieri irritierte sein salsa-fixiertes Publikum, und Taj Mahal rettete die Ukelele

Die Latino-Szene drängelte sich bereits aufgeregt vor der Bühne, als der quirlige 63jährige Pianist ausgelassen zum Flügel strebte. Dort sorgte er erstmal für leichte Irritationen bei den Salsa-Fans, denn er startete seinen gut zweistündigen Set mit einer ausgedehnten Improvisation, in der er Zitate verschiedener Jazzidiome und impressionistische Fragmente immer wieder mit harschen Dissonanzen aufbrach, was so gar nicht nach Salsa oder Latin Jazz klingen wollte. Aber Palmieri hatte schon immer ein Faible für das Überschreiten klassischer Genregrenzen und orientierte sich in den vergangenen Jahren deutlich mehr in Richtung Jazz. Bevor die Unruhe zu groß werden konnte, ging's aber ,richtig' los. El Ritmo Latino breitete sich im Weltbühnen-Zelt aus und versetzte das bunt gemischte, gedrängte Publikum in relaxt kreisende Hüftbewegungen. Einige autistische Salsa-Fans allerdings drückten ihre Freude an der Musik mitten in Nachbarsbäuche ein und aus, ganz rücksichtslos, mit Hilfe ihrer Ellbogen. Palmieri hat sich einige ausgezeichnete Solisten in sein achtköpfiges Ensemble geholt. So brillierten die beiden Trompeter Tony Lujan und Pino Rodriguez nicht nur in den scharfkantigen Bläsersätzen mit platzenden Highnotes, sondern auch in einfallsreichen Soli. Timbalero Jose Claussell begleitete seine solistischen Einlagen mit irritierender Mimik. Und der Meister selbst entpuppte sich als veritabler Percussionist, als er wegen eines technischen Defekts entnervt sein Keyboard, aber nicht die Bühne verließ, sondern an die Timbales wechselte. Musikalisch bot Palmieri eine abwechslungsreiche Melange, kombinierte Salsa-Elemente mit traditionellen Vorläufern wie puertorikanischen Bombas und Rumbas und schob auch mal relaxt groovende Stücke ein.

Das von der Sparkasse organisierte Konzertprogamm am Samstag in/auf der „Weltbühne“ war ideal auf das Wetter abgestimmt. „It's getting funky“, waren die Begrüßungsworte von „Linda Tillery & The Cultural Heritage Choir“, und das galt für den gesamten Rest des Abends. Es war bereits der dritte Besuch der Damen dieses „Chors des kulturellen Erbes“, und wieder ist man/frau baff erstaunt, wie unterhaltsam, vielseitig und warmherzig Traditionspflege sein kann. Man mag ja viel über die Art und Weise lästern, wie die US-Amerikaner ihre Vergangenheit disneysieren; aber so wie hier afroamerikanische Kultur im zweifachen Sinn des Wortes aufgehoben wird, ist sensationell. Fünf singende, percussionspielende black Ladys – und immer wirken sie majestätisch in ihren weiten braunen Gewändern und selbstbewußten Gesten. Viel klang schlicht wie Popmusik aus den 50ern, und so demonstrierten diese Frauen ganz beiläufig, aber dafür umso eindrucksvoller, was weiße Musiker alles aus der schwarzen Musiktradition geklaut haben. Ein Song klang fast auf die Note genau wie Stings „Walking in your Footsteps“. Die Sängerinnen waren so souverän, daß sie sich auch über die eigene Virtuosität lustig machen konnten: Bei einer Homage an Louis Armstrong stellten sie in einer hemmungslos albernen Pantomime die Instrumente dar, die sie dann (natürlich täuschend echt) nachahmten.

Taj Mahal, der Musiker, dessen Blues nie „blue“ ist, hat in seiner Wahlheimat Hawaii eine Band zusammengestellt, die seinem sonnigen Gemüt genau zu entsprechen scheint. Und der Name sagt schon alles: „The Hula Blues Band“. Dieses Projekt ist nichts weniger als ein Großangriff auf ein musikalisches Klischee: Ukulelen und Steel-Gitarre sind in den letzten Jahrzehnten so für Ferien-Werbespots, Fahrstuhlmusik und ähnliche Gräßlichkeiten mißbraucht worden, daß man sie kaum noch unbelastet hören kann. Taj Mahal befreit nun diesen exotisch warmen Hula-Sound.

£Gleich drei Ukulelisten und der hervorragenede Fred Lunt an der hawaiischen Steel Gitarre sorgten für einen immens kulinarischen, dabei aber nie süßlichen Sound. Und ein akustischer Baß ließ den Sound noch wärmer klingen. Mahal selber sang als gut aufgelegte Stimmungskanone seine für diese Band konzipierten Songs. Und diese sehr raffiniert konzipierte Partymusik, dieser Cocktail aus Calypso, Reggae, Hula und Pop begeisterte offensichtlich das Publikum, denn auch vor dem Konzertzelt war im Gedränge kaum ein Durchkommen. „Ein super, super, Sommer“ – war Mahals Schlachtruf in dieser Nacht – und dabei klang er seltsamerweise (ich weiß, dies ist ein Sakrileg) ein klein wenig wie Roberto Blanco.

arnaud/W.Hippen