„Bißchen Westerwelle“ gibt es nicht

Ehemalige Jungdemokraten bei den Grünen warnen vor einer Anbiederung an die FDP  ■ Aus Bonn Patrik Schwarz

Der parteiinterne „Papierkrieg“ der Grünen um ihren künftigen Kurs geht in eine neue Runde. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen in NRW, Roland Appel, hat seine Partei am Wochenende vor einer Anbiederung an die FDP gewarnt. Junge Realos hatten kürzlich eine stärkere Ausrichtung am Liberalismus gefordert. Zusammen mit anderen Grünen aus NRW legte Appel nun ein eigenes Papier vor. Darin werden die Grünen kurzerhand zur besseren FDP erklärt. Schon „vor über 15 Jahren“ hätten sie „das Erbe des politischen Liberalismus“ angetreten, wie ihn der geistige Übervater der FDP, Karl-Hermann Flach, formuliert habe.

„Im Gegensatz zur FDP“ hätten die Grünen Flachs Ideen umgesetzt. Die grünen Realpolitiker hätten dies „wohl verschlafen“, heißt es in dem Papier. Die Unterzeichner, zu denen auch die Bundestagsabgeordnete und Menschenrechtspolitikerin Claudia Roth gehört, sind alle ehemalige Mitglieder der Jungdemokraten. Bis zum Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 standen die „Judos“ der FDP nahe.

Die aktuelle Kontroverse hatten 40 junge Realos um den Bundestagsabgeordneten Matthias Berninger ausgelöst. Sie forderten ihre Partei Ende Juni auf, „das brachliegende Erbe des verantwortungsvollen Liberalismus aufzunehmen“. Im Gegenzug schossen sich 40 junge Linke auf die „grünen Westerwellen“ ein: „Wir werden weder die FDP beerben, noch uns an dem wahrscheinlich längsten FDP-Aufnahmeantrag, den die Welt je gesehen hat, beteiligen.“ Wie auch die jungen Linken hegt Appel den Verdacht, die Realpolitiker strebten auf schnellstem Wege in die Neue Mitte. „Sie haben das Bedürfnis, die Grünen in eine andere Ecke zu manövrieren“, sagte er der taz, „das was Berninger und andere fordern, ist im Kern Wirtschaftsliberalismus.“ Unter Anspielung auf den FDP-Generalsekretär kritisierte Appel: „Wer bei den Grünen sagt, wir machen ein bißchen Westerwelle, der kann viel kaputtmachen.“ „Wir reden vom Erbe des Liberalismus, sie reden vom Erbe der FDP – dazwischen liegen Welten“, beschrieb Appel die Differenzen zur Postition Berningers. Während die FDP nach rechts gedriftet sei, hätten die Grünen als einzige Partei konsequent für das Grundrecht auf Asyl sowie den Schutz des privaten Wohnraums vor Lauschangriffen gekämpft. Sie hätten die Erweiterung der Minderheitenrechte verfochten, auf eine Trennung von Staat und Kirche, sowie eine liberale Bildungspolitik gesetzt.

Mit Schaudern denken Appel und die Seinen an den Weg der FDP unter der Ägide Helmut Kohls. „Wir wissen, welche Gefahren drohen, wenn eine kleine Partei in der Regierung glaubt, sich vor allem wirtschaftsfreundlich geben zu müßen“, sagte der Fraktionsvorsitzende. „Wir empfehlen allen, denen es offenbar darum geht, das Gesamterbe der FDP anzutreten, einen wachen Blick auf die Geschichte dieser Partei.“ Schließlich mangele es nicht an Parallelen zur Situation der Grünen heute. Die Fixierung auf einen Außenminister und Übervater, der damals Genscher hieß, die Verdrängung der Bürgerrechtsthematik und der rücksichtslose Umgang mit parteiinternen Minderheiten hätten auf den „Weg zum politischen Niedergang“ geführt. Als Fraktionsvorsitzende in NRW, wo die Grünen an der Regierung beteiligt sind, fürchtet Appel vor allem, seine Partei könnte sich auf die Rolle einer Mehrheitsbeschafferin beschränken lassen. „Die Grünen sind eine Programmpartei. Wenn wir uns zur Funktionspartei reduzieren lassen, dann verlieren wir unsere Existenzberechtigung“, sagte Appel. „Die FDP ist eine solche Funktionspartei, eine zweite braucht es nicht.“