Subkultur stirbt nie

■ Nicht nur eine Zeitschrift für Kettenraucher und Passivsportler: Das Ostberliner Hardcore-und Punk-Magazin „Orange Agenten“

Das Foto mit den kickenden Fußballspielern auf dem Titelblatt irritiert zunächst. Erst auf den zweiten Blick erkennt der Betrachter, daß er nicht den Kicker, sondern die achte Ausgabe des Hardcore-Punk-Fanzines Orange Agenten vor sich hat, die Zeitschrift für Passivsportler und Kettenraucher, wie das Blatt im Untertitel heißt. Interviews mit Bands wie EC80R, Hammerfall, Don Caballero und den Earthlings nehmen im aktuellen Heft den größten Raum ein und gehören zum üblichen Repertoire eines Musik-Fanzines.

Doch daß die Welt nicht nur aus Hardcore und Punk besteht, wissen auch die Macher von Orange Agenten: So gibt es im aktuellen Heft eine Besprechung des alternativen Heimatfilms „Die Siebtelbauern“, einen Vorbericht zur neuen Ausstellung der Berliner Künstlergruppe „Neue Anständigkeit“, einen lustigen Text von Falko Hennig über den „Zauberer von Shanghai“ und ein Interview mit den Underground-Literaten „Surfpoeten“.

Als „Magazin für Subkultur mit politischem Anspruch“ charakterisiert Matt das von ihm 1996 mitbegründete Zine. Mögliche Einwände, die Zeitung sei mit ihrem Bezug auf die Subkultur hoffnungslos altmodisch, wurden im letzten Heft schon mal vorbeugend gekontert: „Orange Agenten wird hin und wieder vorgeworfen, eine Kultur zu pflegen, die einer aussterbenden Art angehört. Dieser Vorwurf bezieht sich vor allem darauf, daß wir Bands umfangreichen Platz einräumen, deren Ansichten nicht so recht in die postmoderne Welt der Beliebigkeit passen. Und wenn ich mir die Inhalte der letzten Ausgaben unserer kleinen, feinen Zeitung so ansehe, könnte das sogar stimmen. Aber so, wie das Sein das Bewußtsein bestimmt, bestimmen wir den Inhalt dieser Zeitschrift. Und da wir nicht gezwungen sind, davon leben zu müssen, bestimmen die eigenen persönlichen Vorlieben die Auswahl.“

Ihre Wurzeln hat die Redaktion von Orange Agenten größtenteils in der Ostberliner Subkulturszene der 80er Jahre, wo sie in Bands wie Haf, Hammerfall, Ich-Funktion oder Minus 1 gespielt hat. Anfang der 90er Jahre war sie Teil der kurzlebigen Ostberliner Hausbesetzerszene. Doch diese Szene ist mittlerweile in alle Winde verweht, ein Teil von ihr wurde als Rammstein sogar weltberühmt.

Da haben die Orange-Agenten-Macher bescheidenere Zukunftspläne. Matt kann sich zukünftig über die Sparten Musik, Comic, Undergroundliteratur hinaus eine noch größere kulturelle Bandbreite in dem Heft vorstellen, ohne dabei beliebig werden zu wollen: Für Mainstream-Kultur soll in der Zeitung weiterhin ebensowenig Platz sein wie für sterile politische Organisationsdebatten.

Obwohl jede Ausgabe keinen Zweifel an der antifaschistischen Grundeinstellung läßt, hat das Magazin manchen politisch allzu Korrekten schon Bauchschmerzen bereitet: Ob es nicht hochgradig unmoralisch sei, sich nach dem Giftgas zu benennen, das die USA in Vietnam eingesetzt haben. Hier konnte die Redaktion die Gemüter schnell beruhigen. Nicht das berüchtigte Giftgas, sondern ein legendärer, mittlerweile eingegangener Szeneplattenladen in Prenzlauer Berg stand bei der Namengebung der Zeitung Pate.

Peter Nowak ‚/B‘ Orange Agenten, Lottumstraße 10 a, Mitte