Kreuzberger und Friedrichshainer sterben schneller

■ Der neue Jahresgesundheitsbericht zeigt, daß Arme in den Innenstadtbezirken eine geringere Lebenserwartung haben. Berliner leben vergleichsweise ungesund

Wer in Kreuzberg lebt, ist – statistisch gesehen – eher tot. Kreuzberger sterben rund viermal häufiger an Lungenkrebs als Bewohner des Bezirks Zehlendorf, die Zahl der Alkoholtoten in Friedrichshain liegt rund 120 Prozent über dem Berliner Durchschnitt, die Selbstmordrate im Bezirk Wedding ist dreimal so hoch wie in Hellersdorf. Diese Daten stammen aus dem neuen Jahresgesundheitsbericht für Berlin, den Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) jetzt veröffentlicht hat. Grundlage dafür sind Zahlen des Statistischen Landesamtes aus dem Jahr 1997.

Die 528 Seiten starke Untersuchung stellt einen Zusammenhang zwischen der Sozialstruktur der Bezirke und der Lebenserwartung her. In Bezirken mit hohem Anteil von Sozialhilfeempfängern, Arbeitslosen und Menschen mit niedrigem Bildungsgrad ist die Sterblichkeit erkennbar höher.

Das Schlußlicht bildet Kreuzberg – die vorzeitige Sterblichkeit bei Männern unter 65 Jahren liegt hier ganze 35 Prozent über dem Durchschnitt. Knapp davor rangieren Tiergarten, Wedding, Friedrichshain, Neukölln und Prenzlauer Berg. In den Bezirken Treptow, Zehlendorf und Wilmersdorf haben Männer seit Jahren das geringste Sterberisiko.

Die durchschnittliche Lebenserwartung in Kreuzberg beträgt 69,6 Jahre – in Zehlendorf sind es 75, bei Frauen sogar knapp 80 Jahre. Diese Erscheinung geht, so stellt der Bericht fest, mit der verstärkten sozialen Belastung der zentralen Bezirke einher.

Todesursachen wie Alkoholmißbrauch treten hier wesentlich häufiger auf. So starben 1997 in Friedrichshain 29 von 100 000 Einwohnern an den unmittelbaren Folgen von Alkoholkonsum, in Steglitz waren es nur sieben. Festzustellen ist auch eine Differenz zwischen Ost und West: Im Osten liegt der Alkoholmißbrauch um ein Viertel höher als im Westteil.

Insgesamt 36.447 Berliner starben 1997. Damit hat der Rückgang der Sterblichkeit einen neuen Tiefpunkt erreicht. Seit 1995 haben außerdem Männer und Frauen aus dem Ostteil der Stadt ein geringeres Sterberisiko. Im überregionalen Vergleich ist das Leben in der Hauptstadt weiterhin ungesund: „Unter 65jährige Berliner haben ein deutlich höher liegendes Sterberisiko“ als Bewohner der übrigen Bundesrepublik, heißt es in dem Bericht.

Die Gesundheitsverwaltung sieht das Problem unter anderem in der unzureichenden Inanspruchnahme von gesundheitsfördernden Maßnahmen. Der Bericht solle zukünftig bei Personaleinsparungen im Pflegebereich verstärkt seinen Niederschlag finden, kündigte Referatsleiter Gerhard Meinl-Schmidt am Montag an. Andreas Spannbauer