Herr Hefele kriegt zwei Minuten

■ Albert Hefele

Walter Godefroot, sportlicher Leiter bei den Radfahrern von Team Telekom, hat ein Händchen für griffige Formulierungen: „Ich fühle mich wie gerädert ...“, sagt er und: „Seit der Spiegel-Affäre werde ich ...“

Walter Godefroot ist Belgier und muß es nicht unbedingt wissen: die Spiegel-Affäre ist schon ein Weilchen her und kostete seinerzeit dem dicken Strauß seinen Job. Er – Godefroot – meint natürlich die Spiegel-Geschichte.

Warum ich Team Telekom verschone und mich lieber über Freizeitradler aufrege

Wir erinnern uns: Es ging um Doping und darum, daß die Telekomler nicht nur mit Müsli kochen. Aber keine Angst, ich habe nicht vor, noch weiter an dieser Gebetsmühle zu kurbeln. Von wegen„wen wundert's?“ und: Sollte wirklich irgend jemand nicht Bescheid gewußt haben? Eine viel interessantere Frage ist: Was macht das Radlfahren mit den Radfahrern?

Mal ganz abgesehen von den Profis, die sich – für mein Verständnis – des öfteren wie von Sinnen gebärden. Ich meine damit beispielsweise rasende Abfahrten in den Bergen. Eingekeilt zwischen ebenfalls gnadenlos preschenden Kollegen, Mannschaftswagen und turmhoch mit Kameras bepackten Motorrädern.

Gar nicht zu reden von den Massensprints, bei denen einem schon vom bloßen Zusehen die Zähne klappern. Ihrem Untergang zuzappelnde Lemminge – Leib und Leben nicht achtend! Kriegen die soviel Geld dafür? Kann sein, muß nicht sein.

Denn: Auch der Feierabendradler tut seltsam. Finden Sie nicht? Diese mönchische Ernsthaftigkeit, um nicht zu sagen Verbissenheit auf dem Velo. Lachen sehe ich da keinen, wenn ich mit dem Automobil an einer solche Gruppe vorbeifahre. Alle auf superleichten, mit Renn- und Triathlonlenkern ausgestatteten „Maschinen“ und mindestens 300 Gängen und 20 Ritzeln – oder wie das auch immer heißt. Eingeschweißt in hochwichtige, papageienbunte Rennmonturen und unbedingt mit stromlinienförmigen Sonnenbrillen ausgestattet. Als ginge es demnächst über die Pyrenäen.

Dabei fahren sie bloß achtmal ums Dorf.

Mich, den Autofahrer, vorwurfsvoll musternd: Du wagst es, uns in unserer bedeutenden sportlichen Tätigkeit zu hemmen? Du, der du wohlgenährt und träge in deinem motorgetriebenen Kasten vegetierst!

Na und – laßt mich doch in Ruhe! Muß doch nicht jeder seine wohlverdiente Freizeit damit vertun, daß er, wie ein Kasper ausstaffiert, ums Karree radelt. Das hab' ich mit 12 gemacht!

Sie merken schon, ich bin etwas aus der Contenance geraten. So war regt mich auf. Ich kann es nicht leiden, wenn Inhalt und Anspruch dermaßen grotesk auseinanderklaffen. Ein ähnliches Gefühl hatte ich beim Lesen der Meldung „Mit einem bunten Showprogramm sind die Weltspiele der geistig Behinderten in Raleigh/North Carolina zu Ende gegangen. Rund 7.000 Aktive aus 161 Ländern marschierten zur Abschlußfeier der weltweit größten Sportveranstaltung 1999 auf ...“

Arnold Schwarzenegger posierte mit einem fotogenen Mongoloiden, und Frau Zypries, die Staatssekretärin im Innenministerium, war auch da: „Der Sport ist ein wichtiges Mittel der Integration. Dies gilt im besonderen Maße für geistig Behinderte.“

Warum? Versteh' ich nicht. Glaubt Frau Zypries im Ernst, daß sich durch eine solche Veranstaltung das Image und die jämmerliche Situation der geistig Behinderten verbessern lassen?

Daß sich ihre Ausbildungs-, Therapie- und Lebenssituation ändert, nur weil man eine – nach welchen Kriterien auch immer ausgesuchte – Truppe in Amerika schwimmen und staffellaufen läßt?

Ich glaub's nicht, Frau Zypries. Ich glaube vielmehr, daß sich da einige Leute, die ein schlechtes Gewissen haben, weil sie zu wenig oder gar nix für diese Menschen tun, ein schönes Ruhekissen zurechtpolstern. So was regt mich auf ... Inhalt und Anspruch – Sie wissen schon.