Nachkriegsgeschichte
: Zwei Menschen lange Jahre sehr allein

■ Ausbürgerung der Bremerin Szwaijka macht die Familie bis heute sprachlos

„Was wir durchgemacht haben, kann keiner verstehen.“ Wenn Wilma Szwajka über die letzten 50 Jahre ihres Lebens spricht – über die Zeit von Kriegsende bis heute –, greift sie zum Taschentuch. Die zwei Dutzend ZuhörerInnen, die am Montag abend in die Landeszentrale für politische Bildung gekommen waren, um in der Veranstaltungsreihe „50 Jahre deutsche Geschichte“ über den Kampf der Bremerin um ihre Bürgerrechte zu hören, schwiegen respektvoll. Und verkniffen sich weitere Fragen über die persönlichen Folgen der ungerechten und außergewöhnlichen Nachkriegsgeschichte der 74jährigen. Die gebürtige Bremerin hatte über 40 Jahre staatenlos in Bremen gelebt, bis das Gericht ihr 1992 die deutsche Staatsbürgerschaft zurückerkannte.

„Ich habe bis heute Schuldgefühle über das, was ich meinen Kindern angetan habe“, sagte Wilma Szwajka am Montag. Ihr gerichtlicher Sieg über die Bremer Innenbehörde, die ihr 1949 die deutsche Staatsbürgerschaft entzog, nachdem sie den ehemaligen polnischen Zwangsarbeiter Oleksa Szwajka geheiratet hatte, konnte ihr das Gefühl, auf der ewigen Verliererseite zu stehen, nicht wirklich nehmen. „Jedes Kind, das ich bekam, war staatenlos“, sagt sie. „Das setzt sich in die Generationen fort. „Damit wir bleiben durften, mußten wir alle zwei Jahre zum Ausländeramt.“ Dort hätte sie Beamten gegenübergestanden, „die schon während des Krieges dort waren“, als ihr kommunistischer Vater Johann Helmers politisch verfolgt wurde und darum die ganze Familie unter den Nazis litt.

Die Misere begann 1949 – als eigentlich alles hätte gut werden können. Der Krieg war zu Ende, Wilma hatte Oleksa Szwajka kennengelernt und zehn Tage nach Inkrafttreten des Grundgesetzes geheiratet. Was niemand sagte: Sie wurde deshalb ausgebürgert und staatenlos, denn die Nationalität ihres Ehemannes war nach den Kriegswirren strittig. Auch sah das alte Staatsangehörigkeitsrecht vor, daß Frauen die deutsche Staatsangehörigkeit bei Heirat eines Ausländers verlieren würden. „Reine Behördenwillkür“ sei ihr damals widerfahren, sagt Wilma Szwajka heute. Anwalt Bernhard Docke, mit dem sie ihr Recht auf die deutsche Staatsbürgerschaft vor Gericht durchfocht, nickt. „In den zehn Tagen von Inkraftreten des Grundgesetzes bis zur Hochzeit hatte sich bis Bremen nicht herumgesprochen, daß die deutsche Staatsbürgerschaft nicht ohne Einwilligung aberkannt werden darf – schon gar nicht, wenn dann Staatenlosigkeit folgt.“ Aber die Bremer hätten ihren Fehler nie eingestanden. Erst in den 80ern kam Wilma Szwajka zu ihm, nachdem sie bei vielen Anwälten abgeblitzt war. Entschädigung erhielt sie bis heute nicht.

Bei den Szwajkas herrschte derweil lange Jahre Ausnahmezustand. An Wahltagen erfand die Familie Erklärungen, warum sie der Urne fernblieb – und für die Nachbarn blieb Oleksa Swajka noch lange „ein Flüchtling.“ Bis heute versuchen die Kinder und Enkel, mit der Familiengeschichte fertig zu werden. Aber „Opa“ nach seiner Geschichte zu fragen, nach dem Zusammenspiel von Verschleppung, Ausbeutung und folgender Staatenlosigkeit? „Du kannst es ja versuchen“, antwortet Wilma Szwajka ihrer Enkelin. „Aber wenn Opa einen Anfall bekommt ...“ ede