Blutbad  ■   Von Andreas Milk

„In meinen Adern rollt echtes Wikingerblut.“ (Donald Duck)

Sie wollen Blut. In der katholischen Schule unseres Ortes haben sie ihre Maschinen aufgebaut. Mit Hilfe der Lokalpresse haben sie Hartgesottene und Wohlgesonnene angelockt, Menschen, die es gleichmütig hinnehmen, wenn eine Nadel in ihre Armbeuge dringt. Gerade im Sommer seien Blutkonserven rar, hatte das Rote Kreuz im Spendenaufruf geschrieben. Kein Wunder: Nicht nur, daß Leute verreisen und sich also der kontrollierten Abnahme von Blut entziehen – sie bauen auch noch Unfälle und vergießen das kostbare Zeugs auf der Autobahn. Sie brauchen die Solidarität blutstrotzender Daheimgebliebener.

Wer Blut spenden will, tut gut daran, eine Vorliebe z. B. für Leibesvisitationen und Einreiseformalitäten à la Flughafen mitzubringen. Nur, daß es beim Benefizbluten halt nicht um Schikane geht, sondern um Gesundheit und Sicherheit, jahaa. „Erstspender?“ Anfänger, die nicht souverän einen Blutspenderpaß zücken, müssen den Personalausweis vorlegen. Bereits die zweite Station des fröhlichen Blutspenderreigens stellt jedoch Gleichheit von Debütanten und Veteranen her: Ein zapfpistolenartiges Gebilde wird ins Ohr gesteckt zur Ermittlung der Körpertemperatur, gefolgt von stiller Meditation über einem Fragebogen: Zur Zeit in medizinischer Behandlung? Kürzlich im Ausland gewesen? Oder im Puff? (Das steht da natürlich ein wenig diplomatischer formuliert.)

Mit dem ausgefüllten Blatt suche ich einen bekittelten Herrn auf, den ein Schild an der Tür als Arzt ausweist und der fragt, ob ich mich gut fühle. Danke, doch. Er mißt den Blutdruck (geht so) und den Puls (geht so). Kann ich jetzt endlich meinen halben Liter loswerden? Gemach – der Eisengehalt wird bestimmt per Vorabentnahme ca. eines halben Milliliters Blut aus dem Ohrläppchen. Resultat? 13 Komma eins. Und das heißt? Geht so.

Was auf den ersten Blick ein Lazarett sein könnte – auf den zweiten und dritten Blick übrigens auch –, ist der Saal des Großen Blutvergießens. Ein Rotkreuzler drückt mir ein Plastikschälchen mit meinem persönlichen Blutbeutel in die Hand sowie einer Art Stimmzettel (auf dem ich später anonym erklären werde: Nein, aller Wahrscheinlichkeit nach habe ich keine HI-Viren). Eine Dame weist mir eine Liege zu, fuhrwerkt an meinem Arm herum. „Machen Sie eine Faust!“ Ich mache.

Ein Stich. Und endlich, endlich kann ich ganz viel Blut sehen – es fließt in den Beutel, der neben mir in einer Art Schaukel hin- und herschwingt, aus biophysikalischen oder was weiß ich für Gründen. Fünf Minuten dauert das Dasein als lebende Tankstelle. Ausruhen danach ist Pflicht; ein paar meiner Kollegen verbringen die Zeit weiter liegend, ich bereits im Sitzen, har, har! Zum Schluß noch ein Abstecher in die Gaststätte „Zum Pflaster“ – wo sonst Katholikenkinder das Alphabet lernen, serviert Rotkreuz-Nachwuchs Cola, Bockwurst und Nudelsalat zur Kräftigung.

Abends, in einer richtigen Kneipe, zeige ich stolz meine, nun ja, Wunden. (Sie erinnern sich? Das Ohrläppchen? Der Arm??) Anerkennende Blicke, bewundernde Kommentare. Nicht fürs Blutspenden. Aber für das Betreten einer katholischen Schule.