■ Cash & Crash
: Aktienanleihen sind riskante Wettspiele mit der Bank

Nürnberg (taz) – Wenn niedrige Zinsen seit Jahren die renditeorientierten Anleger langweilen und sich riskofreudige Zocker auf die hin und her schwankenden Aktienkurse konzentrieren, kommen auch die Marketingexperten der Banken auf dumme Gedanken. Mit der Bezeichnung Aktienanleihen (oder Reverse Convertibles, Share Bonds oder Yield Enhanced Securities) ist ihnen ein Wettspiel eingefallen, bei dem sie Anleger mit verlockenden zweistelligen Zinssätzen bis zu 25 Prozent ködern.

Das Prinzip ist einfach: Der Kunde stellt mehrere tausend Mark zur Verfügung, dafür bekommt er eine Verzinsung zwischen 5 und 25 Prozent. Allerdings ist beim Abschluß unklar, was am Ende der Laufzeit herauskommt: Wenn der Kurs der Aktie, auf die er wettet, bis zum Stichtag nach oben klettert oder stagniert, bekommt er sein Geld zurück. Fällt er, werden diese Aktien in sein Depot gebucht. Durch die Kursverluste wird der Zinsgewinn geschmälert, manchmal auch das Kapital angegriffen.

Thomas Timmermann von der Commerzbank sieht darin allerdings sogar noch die Chance, „zu einem niedrigen Kurs bei einer Aktie einzusteigen und den faktischen Verlust wieder aufzuholen“. Natürlich können sich nervöse Anleger, die beim Sturzflug aussteigen möchten, von der Anleihe trennen, doch müssen sie bereits dann Verluste hinnehmen, da sich der Kurs der Anleihe ebenfalls nach unten bewegt. Hiervon können wiederum Anleger profitieren, die später einsteigen wollen: Sie kassieren den für die Restlaufzeit fälligen Teil der Zinsen und kommen aufgrund des gefallenen Anleihekurses auf eine höhere Rendite als Erstzeichner.

Das neue Wettspiel begeistert die Deutschen – in den vergangenen neun Monaten sind schätzungsweise sechs bis acht Milliarden Mark in Aktienanleihen geflossen. Neben dem Kursrisiko lassen sich Geldgeber bei diesem neuen Finanzprodukt allerdings auch auf ungeklärte steuerliche Probleme ein. Die hohen Zinsen müssen auf jeden Fall versteuert werden, strittig ist noch, wie die Finanzbehörden mit den eingefahrenen Verlusten umgehen werden, ob also die Anleger die Differenz zwischen Ausgabepreise der Anleihe und Börsenkurs der erhaltenen Aktien als Verlust geltend gemacht werden kann. Und ob bei Aktienanleihen die Termingeschäftsfähigkeit der Anleger erforderlich ist: Großbanken wie Deutsche oder Commerzbank halten das für überflüssig, andere wie die WestLB lassen ihre Kunden das laut Gesetz für Termingeschäfte vorgeschriebene Formular über die Risikoaufklärung unterschreiben.

Sobald die ersten enttäuschten Anleger auf größeren Verlusten sitzenbleiben, dürfte die Frage auch deutsche Gerichte beschäftigen. „Die letzte Entscheidung“, so heißt es bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, „wird vermutlich wieder der Bundesgerichtshof treffen. Aber als geprellter Anleger mit Rechtsschutzversicherung würde ich mich auf den Streit einlassen“.

Horst Peter Wickel