Selbständigkeit leichter gemacht

Scheinselbständigkeit: Expertenkommission hat Nachbesserungen am umstrittenen Gesetz ausgearbeitet. Umkehr der Beweislast, Lockerung der Kriterien  ■   Von Tina Stadlmayer

Das umstrittene Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit wird entschärft. Eine Gruppe von Parlamentariern und Experten einigte sich auf Korrekturen an dem seit 1. Januar gültigen Gesetz. Nur noch in Ausnahmefällen müssen danach Betroffene selber den Beweis führen, daß sie nicht nur zum Schein selbständig sind. Dafür hatten sich einzelne Sozialdemokraten und die Grünen eingesetzt. „Wir wollen die Regeln deutlich flexibler gestalten, um Selbständigkeit zu fördern“, sagte der SPD-Abgeordnete Ernst Schwanhold nach der Sitzung der Kommission. Ende dieses Monats will die Expertenrunde ihren Abschlußbericht vorlegen. Die Änderungen sollen dann am 1. Januar 2000 in Kraft treten.

Die Kommission schlägt vor, daß die Kriterien, ab wann eine Scheinselbständigkeit vermutet wird, von vier auf fünf erweitert werden, von denen drei statt bisher zwei erfüllt sein müssen.

Die fünf Kriterien lauten: Der Selbständige beschäftigt keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer. Die Beschäftigung von Familienangehörigen soll nach den geplanten Änderungen als Zeichen für echte Selbständigkeit gelten. Zweitens: Eine Tätigkeit wird auf Dauer nur für einen Auftraggeber ausgeübt. Drittens: Gleiche Tätigkeiten werden beim selben oder einem vergleichbaren Auftraggeber von angestellten Arbeitnehmern verrichtet. Viertens: Der Selbständige hat dieselbe Tätigkeit früher als Beschäftigter ausgeübt. Und: Es sind keine typischen Merkmale einer unternehmerischen Tätigkeit zu erkennen. Welche Merkmale dies sein könnten, will die Kommission noch festlegen.

Die Kommission wird in den kommenden Wochen prüfen, ob Ausnahmen für einzelne Branchen geschaffen werden sollen. Außerdem will sie über die Rentenversicherungspflicht für arbeitnehmerähnliche Selbständige beraten. Wer als Selbständiger typische Arbeitnehmertätigkeiten verrichtet und nur für einen Auftraggeber tätig ist, gilt als „arbeitnehmerähnlicher Selbständiger“. Er muß rückwirkend vom 1. Januar dieses Jahres an Rentenversicherungsbeiträge zahlen und diese alleine tragen. Wer nachweisen kann, daß er selbst schon angemessen fürs Alter vorgesorgt hat, kann bis zum 31. Dezember einen Antrag auf Befreiung von dieser Pflicht stellen. Ursprünglich sollte die Frist für die Befreiung schon am 30. Juni ablaufen.

Mit dem zur Zeit gültigen Gesetz wollte die rot-grüne Regierung verhindern, daß immer mehr Unternehmen Arbeitnehmer entlassen, sie dann als Selbständige weiterbeschäftigen und so Sozialabgaben einsparen. Grüne, Liberale und Konservative hatten jedoch kritisiert, das Gesetz erschwere jungen Existenzgründern vor allem in High-Tech-Berufen das Leben. Daraufhin beauftragte Arbeitsminister Riester die Expertenkommission damit, Verbesserungen auszuarbeiten.

DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer bezeichnete die geplanten Änderungen am Gesetz als „sinnvoll“. Das Gesetz habe sich im Grunde bewährt, offensichtlich könne es aber noch verbessert werden. Es sei aber weiter notwendig, den Mißbrauch abzustellen. Denn alle, die faktisch Arbeitnehmer seien, müßten auch den für Beschäftigte üblichen Schutz haben.

Auch die CDU ist mit der geplanten Entschärfung des Gesetzes einverstanden. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Hermann Kues, sagte, die Vorschläge der Expertenkommission gingen „offenkundig in die richtige Richtung“. Er schränkte aber ein: „Bei dieser Bundesregierung möchte ich erst schriftlich sehen, was sie tatsächlich vorhat.“