Kommentar
: Der Pseudooppositionelle

■ Serbien: Vuk Draskovic wechselt wieder die Seite

Sollte Vuk Draskovic nun doch in den Schoß der serbischen Opposition zurückkehren? Mitnichten! Mit seiner jüngsten Ankündigung, am kommenden Wochenende Tausende seiner Anhänger für Straßenproteste gegen Milosevic mobilisieren zu wollen, gibt der Chef der Serbischen Erneuerungsbewegung einmal mehr Anschauungsunterricht in Sachen politische Strategie. Getreu der Maxime: Stellung beziehen, ohne sich zu positionieren. Da macht es auch gar nichts, daß sich jetzt derselbe Draskovic als Protestkatalysator geriert, der noch in der vergangenen Woche den Versuch des Chefs der Demokraten, Zoran Djindjic, eine Unterschriftenkampagne gegen Milosevic im Belgrader Stadtparlament zu initiieren, torpedierte.

Doch der Opportunist Draskovic ist Taktiker genug, um zu begreifen, daß sich die Koordinaten in Serbien zu verschieben beginnen. Einem zusehends angeschlagenen Milosevic steht eine Oppositionsbewegung gegenüber, die langsam an Konturen gewinnt und sich überdies als fähig erweist, täglich Tausende auf die Straßen zu bringen.

Auf diesen Zug muß jetzt auch Draskovic aufspringen, denn sonst könnte die Reise, wenn auch bislang mit unbekanntem Ziel, ohne ihn stattfinden. Daß es dem Pseudooppositionellen dabei lediglich um seine persönliche Machtposition geht, liegt auf der Hand. Wie anders ist es zu erklären, daß Draskovic auch jetzt nicht explizit den Rücktritt von Milosevic fordert und die Schmutzarbeit, sich des jugoslawischen Präsidenten zu entledigen, lieber anderen – am besten den Sozialisten selbst – überlassen möchte? Im Hinterkopf den Gedanken: spätere Zusammenarbeit nicht ausgeschlossen? Und sollte es etwa ein Zufall sein, daß die Serbische Erneuerungsbewegung gerade in Kragujevac zu ihrem ersten Protestmarsch bläst, der Stadt, wo zwei Tage vorher das Bündnis für Veränderungen von Zoran Djindjic demonstrieren will?

Für Draskovic zählt jetzt nur eins: Präsenz zu zeigen, in Abgrenzung zu allen anderen Richtungen. Zugute kommen könnte ihm dabei, daß seine Partei über Organisationsstrukturen und eine feste Anhängerschaft verfügt, von denen andere Gruppierungen bislang nur träumen können. Somit ist der Kampf um Posten und Pründen eingeleitet. Wann deren Verteilung ansteht, wird sich zeigen. Barbara Oertel