Dr. Funkenstein

Wird der gefiederte Funk-Freak und Kettenkiffer George Clinton wieder Windeln tragen?  ■ Von Oliver Rohlf

George Clinton verteilt Konzerte wie der Weihnachtsmann Präsente. Alle Jahre wieder kommt der letzte gute Onkel des Funk in eine der hiesigen Konzerthallen, um seinen Beat-Sack über die immer noch große Schar Groove-Gläubiger auszuschütten. Verschont wird dabei niemand, zu mächtig ist der geschenklerische wie historische Wumms des großen, alten Mannes mit dem Kosmo-Tick. George Clinton zu ehren, heißt sich kopfüber in die Analen des P-Funk zu stürzen – und darin zu ersaufen. Ein Mensch allein kann eh nur schwerlich erfassen, was der wild gefiederte Kettenkiffer von seinem „Mothership“ aus wann und mit welcher stets wechselnden Musikermischpoke auf die Tanzbeine gestellt hat. Das haben schon so viele versucht, daß sich die baßlastige Urknall-Vita des Beinahe-Rentners wie ein zu oft ausgeliehener Science-Fiction-Knaller aus der nächsten Bücherhalle liest: „The Future will wahrscheinlich be computerized.“ Demnach müßte Clintons größter Fan auf den Namen Erich von Däniken hören.

An vorderster Front posaunen natürlich all jene Geschichtenerzähler und Kenner des Fachs ihre semi-metaphysischen Kurzgeschichten in die Atmosphäre, die den ehemaligen Frisiersalonbesitzer aus Plainfield/Jersey berechtigterweise in eine universale Soul-Dynastie mit James Brown, Smokey Robinson oder Marvin Gaye hieven. Dazu nur so viel: Im Zweifelsfall stimmen sie alle, lautet allein das Privileg der Anekdote.

Gleich danach kommen all jene Künstler und aktuellen HipHop-Macher, die den Selfmade-Herausgeber des Online-Magazins New Funk Times, selbsternannten „Maggot Overlord“ und tiefstimmigen „Dr. Funkenstein“ sample-technisch so hartnäckig abgegrast haben, daß nicht nur böse Gesellen von Raubbau sprechen. Aber wer will bei dieser Ansammlung von positivem Freak-Sein schon den Spielverderber spielen?

Und wer erinnert sich nicht gern an solch wunderbare Konzertereignisse wie den Vier-Stunden-Marathon in der Markthalle oder jenen sonderbaren Erwachsene-Männer-tragen-große-Windeln-Event in der Großen Freiheit? Das einzig Berechenbare damals war die Gnadenlosigkeit des Beats. Da wurde gebetet, geraucht und es wurden andere heilige Riten vollzogen. Manche kamen sehr geheimnisvoll daher und sollen nicht wenige veranlaßt haben, eine neue Religionsgemeinschaft zu gründen: „The transcendental Brotherhood of Cosmic Voodoo-Phunk“, oder so. Daß Clinton dabei statt mit seinen seligen Formationen Parliament oder Funcadelic mit den dann doch eher zweitklassigen P-Funk Allstars herumtourt und mitunter auch nur mäßige Alben veröffentlicht, wird dabei in Kauf genommen.

Für einigen Wirbel hingegen könnte jenes Gerücht sorgen, demzufolge im kommenden Jahr, wenn das neue Jahrtausend nullt und Papa Clinton 60 wird, ein neues Funcadelic-Album auf dem Plan stehen soll. Prominente Mitstreiter: Chilli Peppers Fela, Shock-G und Kartharsis-Coreler Henry Rollins! Der, der da so Spannendes schwätzt, nennt sich „Kidd Funcadelic“ und ist der derzeitige „Lead Geetar Trickgician“ im aktuellen Tour-LineUp der Allstars. Und mal ehrlich: Können solche Titel lügen?

Fr, 16. Juli, 21 Uhr, Fabrik