Maschinenlandschaften

■ Kein Trash: Mit Patlabor 2 ist dem Anime-Spezialisten Mamoru Oshii ein klassischer Polit-Thriller gelungen

„Die Technik im Zeitalter ihrer künstlerischen Reproduzierbarkeit“, kann man im Fahrstuhl zu den Büros eines Hamburger Programmkinos lesen. Trifft dieser post-benjaminsche Kalauer irgendwo zu, dann ganz sicher für die Detail-Liebe, mit der japanische Anime-Zeichner ihre gigantischen mecha-Designs entwerfen, Maschinenlandschaften, in denen die kleinsten Windows-Icons genauso deutlich sind wie die Kabelstränge der sie anklickenden Cyborgs. Menschliche Gesichter bleiben im Vergleich meist weitaus blasser, und Kritiker haben das immer wieder zum Anlaß genommen, die japanischen Mangas und Animationsfilme als Kürzel einer hochtechnisierten Gesellschaft zu lesen.

Die Patlabor-Reihe trägt diesen Bezug schon im Titel. So wie die Roboter der westlichen Science-fiction sich aus dem tschechischen Begriff für Arbeit ableiten, heißt im Japan der nahen Zukunft „Labors“ eine technisch extrem weiterentwickelte Spezies von Robotern. Sie sehen aus wie die großen Brüder des Stahlkäfigs, mit dem Ripley in Aliens gegen Mama Alien antritt. Im Vorspann heißt es: „Um Kriminelle bekämpfen zu können, die die neue Technologie mißbrauchen, ist die Special Vehicle Division der Polizei von Tokyo für ihren Kampf gegen das städtische Verbrechen mit Patrol Labors ausgestattet worden, sogenannten Patlabors.“ Die animierte, auf den gleichnamigen Mangas von Masami Yuki basierende Cop-Show aus den späten 80er Jahren befaßt sich denn auch genau mit den Abenteuern dieser Division, und weil die so erfolgreich war, folgten zwei Langfilme. Daß das ganze rein gar nichts mit dem Trash von Teenage Ninja Mutant Turtles zu tun hat, ist nicht zuletzt Regisseur Mamoru Oshii zu danken, den Liebhaber des Genres als Schöpfer von so erwachsenen Anime-Klassikern wie Ghost In The Shell schätzen.

Handelte Patlabor 1 noch von einem Staudammprojekt zur Landgewinnung, dreht Patlabor 2 die Schraube ein paar Drehungen weiter und nimmt sich des militärisch-industriellen Komplexes an. Drei Jahre nach der Zerstörung einer UNO-Labor-Einheit im Dschungel Südostasiens wird Tokyo von einer Reihe von Terroranschlägen erschüttert, bis der Ausnahmezustand verhängt wird und putschende Polizei- und Militärfraktionen um die Macht konkurrieren. Patlabor 2 ist noch dialoglastiger und kühler als sein Vorgänger, erinnert manchmal sogar an Alan J. Pakulas paranoide Politthriller aus den 70ern, treibt dabei aber auch die Mimikry des „großen“ Kinos so weit, daß einem gelegentlich der Atem stockt – bedenkt man, daß all die Fahrten, Schwenks und Weitwinkel-Optiken gezeichnet sind. Eine reife Leistung. In jeder Hinsicht.

Tobias Nagl

Do, 15. bis Mi, 21. Juli, 20.30 Uhr, 3001