■ Opferperspektive und „Terrorismus“

Es war am 12. Mai. An diesem Tag teilte ein Mitarbeiter des Brandenburger Justizministeriums dem Verein „Opferperspektive“ mit, daß die Bundesanwaltschaft (BAW) gegen zwei Mitarbeiter ermittele. Sie sollen mit anderen Personen zusammenwohnen, die bei der Karlsruher Behörde im Verdacht stünden, militante Aktionen gegen die Castor-Transporte durchgeführt zu haben oder Mitglied des „Anti Olympia Komitees“ zu sein.

Mit dem Tatbestand der „Kontaktschuld“ und dem Augenmerk auf eine Gruppe, die sich selbst nie militanter Aktionen bezichtigt hatte, hatte aber nicht nur der Ermittlungswahn der BAW einen neuen Höhepunkt erreicht. Auch der Verein Opferperspektive war durch die Ermittlungen akut gefährdet.

Zwar hatte Brandenburgs Justizminister Bräutigam signalisiert, daß er die Arbeit des Vereins schätze und versprochen, daß er die Substanz der Vorwürfe klären lassen wolle. Um der CDU aber keine Wahlkampfmunition zu liefern, beantragte Bräutigam bei der BAW einen sogenannten „Unbedenklichkeitsbescheid“, aus dem hervorgehen solle, daß gegen die beiden Mitarbeiter nichts vorliege. Dieser Antrag wurde bis heute nicht beantwortet.

Bei der Opferperspektive heißt es nun, daß die bundesweite Razzia der Bundesanwaltschaft, unter anderem gegen vier Personen aus Berlin, Antwort genug war. Die beiden Mitarbeiter gelten nun als „Beschuldigte“.

Unklar ist allerdings, wie das Justizministerium in Erfahrung brachte, daß gegen die beiden ermittelt wird. Eine Regelanfrage gibt es bei den Mitarbeitern freier Träger in Brandenburg nicht.

Darüber hinaus, so spekulierte der Verein gestern, habe die BAW offenbar gewußt, daß die Mitarbeiter der Opferperspektive vom Justizministerium über die Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wurden und außerdem geplant hätte, am 7. Juli an die Öffentlichkeit zu treten. Thema der geplanten Pressekonferenz: Das Ermittlungsverfahren und die Weigerung des Ministeriums, den Verein wegen dieser bloßen Beschuldigungen, darunter der Kontaktschuld, weiter zu fördern. „Aber da“, meinte ein Mitarbeiter der Opferperspektive gestern, „kam uns die Bundesanwaltschaft mit ihrer Razzia einfach zuvor.“

Die Hausdurchsuchungen in Sachen „terroristischer Vereinigung“ fanden einen Tag vorher, am 6. Juli, statt. Uwe Rada