Schon jeder zweite Hauptstädter will eine Beteiligung der PDS

■ Und laut einer Umfrage steigt auch bei der Basis von SPD und Grünen die Akzeptanz für ein Tolerierungsmodell

Petra Pau kann einen neuen Rekord vermelden: „Unsere Akzeptanz im Westteil der Stadt war noch nie so hoch,“ freut sich die Vorsitzende der Berliner PDS. „Ausgesprochen optimistisch“ sehe die Partei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus entgegen.

Drei Monate vor dem 10. Oktober, an dem der Haupstadt der entscheidende Showdown zwischen den Spitzenkandidaten Walter Momper und Eberhard Diepgen bevorsteht, verspürt auch die PDS, das unbeliebte Stiefkind der Berliner Parteienlandschaft, neuen Rückenwind. Der Grund: Eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Info GmbH Berlin, die am Mittwoch im Karl-Liebknecht-Haus vorgestellt wurde, konstatiert eine zunehmende Akzeptanz für eine Tolerierung eines rot-grünen Senats nach dem 10. Oktober durch die PDS.

Der Wunsch nach der rosa-grünen Koalition

Nur 8,8 Prozent aller Wähler rechnen der Umfrage zufolge, die der PDS-Landesvorstand in Auftrag gegeben hat und bei der im Juni 1.208 Probanden befragt wurden, mit dem tatsächlichen Eintritt einer „rosa-grünen Koalition“. Den Wunsch danach verspüren aber immerhin 28,3 Prozent. In den Augen Paus ist diese Diskrepanz ein Mißtrauensvotum der Wähler gegen Walter Momper und die SPD.

Vor allem aber stellen die Meinungsforscher eine erhöhte Toleranz für eine PDS-Beteiligung unter Anhängern von Grünen und SPD fest. „SPD und Grüne haben ein PDS-Problem“, meint Pau. Rund die Hälfte aller sozialdemokratischen Wähler halten demnach eine Zusammenarbeit mit der PDS für wünschenswert, bei den Grünen sind es sogar zwei Drittel. Dem steht die strikte Abgrenzung von SPD und Grünen gegenüber: Sie schließen bisher eine Kooperation konsequent aus. „Bei der Wählerschaft ist sehr viel Bewegung“, hofft die Landesvorsitzende mit der roten Mecki-Frisur.

Die Sympathien teilen sich dabei erwartungsgemäß nach Ost und West auf. Nur ein Drittel aller Westberliner sähe es gerne, wenn die Partei in der Landespolitik etwas mitzureden hätte. Im Osten sind es stolze 66 Prozent, die sich die PDS in einer Verantwortungsposition wünschen. Alles in allem spricht sich jeder zweite Berliner für eine Beteiligung der PDS aus.

Um den heftig umworbenen Wunschpartnern die Entscheidung für die PDS zusätzlich zu erleichtern, hat man außerdem die Programme aller drei Parteien verglichen. „Wir sehen in wichtigen Punkten Problemlösungsmehrheiten“, faßt Carola Freundl, PDS-Fraktionsvorsitzende im Preußischen Landtag und Mitglied des „Spitzenquintetts“ für den Wahlkampf, das Ergebnis zusammen. Gemeinsamkeiten habe man unter anderem in der Forderung nach einem Berliner Bündnis für Arbeit, dem Ausstieg aus einer autofixierten Verkehrspolitik, der Ablehnung von Studiengebühren sowie einer Nettoneuverschuldung des Landes entdeckt.

Einen Stimmenzuwachs erhoffen sich die Sozialisten außerdem von der großen Politik: „Die Bundespolitik wird sich in den Ergebnissen vom Oktober niederschlagen“, ist Pau überzeugt. Allzu unbescheiden will man sich trotzdem nicht geben. „Ein Tolerierungsmodell“ wünscht sich Freundl, weil die Partei schließlich doch mit einem „realen Akzeptanzproblem im Westen“ konfrontiert sei. Anders gesagt: Eine Regierungsbeteiligung ist undenkbar, und auch eine Tolerierung nach Magdeburger Modell steht mehr als nur in den Sternen. „Verantwortliche Politik heißt nicht nur regieren“, gibt Petra Pau in solchen Fällen vorsorglich Rat.

Freuen kann sich die PDS inzwischen auch über Veränderungen unter ihrer Anhängerschaft: „Wir sind nicht mehr die SED-Nachfolgepartei“, sagt die Landesvorsitzende zufrieden.

Der neue Stolz auf die politische Verjüngungskur

Neben der traditionellen DDR-Wählerschaft zählten mittlerweile auch alternative Jugendmilieus, Intellektuelle und hochqualifizierte Selbständige zu den Wählern der demokratischen Sozialisten. Und auch auf eine politische Verjüngungskur ist man stolz: Der Anteil der unter 40jährigen Wähler sei in den letzten Jahren auf rund 40 Prozent angestiegen, bilanziert der Soziologe Dietmar Wittich, Mitarbeiter der Studie. „Das widerspricht allerdings dem Altersdurchschnitt der Mitgliedschaft.“ Vor allem in den Fragen der Gleichberechtigung und Jugend liege die PDS im Vertrauen der Wähler weit vorne.

Auf die Frage, welche Erwartungen man nun an die anderen Parteien habe, folgt trotz allem Zweckoptimismus beredtes Schweigen. Aber in diesen Momenten, in denen die Vertreterinnen der Partei wie etwas ältere Damen wirken, die endlich noch unter die Haube kommen wollen, greifen ja dann vielleicht wieder Petra Paus Zweifel, ob „SPD und Grüne nicht nur eine Option für den Regierungswechsel, sondern auch für den Politikwechsel sind.“

Andreas Spannbauer