Ein Texaner ist kein Quotenheld

■ Trotz bester Dramaturgie rund um den neuen Radsporthelden Lance Armstrong bleibt die Tour für viele ein Problemfall

Sestriere (dpa/taz) – Die Live-Übertragung der ersten Alpen-Etappe bei der Tour de France hat der ARD relativ gute Marktanteile gebracht. Die Zuschauerzahlen stiegen auf bis zu 2,40 Millionen bei der Zielankunft des amerikanischen Etappensiegers Lance Armstrong in Sestriere. Damit verzeichnet die Tour de France höhere Marktanteile (bis zu 26,1 Prozent) als das Halbfinale um den DFB-Ligapokal zwischen Bremen und Leverkusen (15,2 Prozent).

Auf die übliche Zusammenfassung des Tour-Geschehens um 20.15 Uhr hatte die ARD aber verzichtet. Kein Wunder: Das von der ARD gesponserte Team Telekom hat keinen Fahrer mehr unter den ersten 50 und radelt im Moment wieder nur noch so mit wie in seinen schlechteren Jahren. Und bei aller Begeisterung für den Krebsbezwinger Armstrong – ein Quotenheld wie der Merdinger Ullrich kann der Texaner qua Ausweis nicht sein.

Lance Armstrong hatte diese 9. Etappe von Grand Bornand nach Sestriere (213,5 km) gewonnen – 31 Sekunden vor Alex Zülle (Schweiz) und führte damit vor der gestrigen Schlüsseletappe hoch nach L'Alpe D'Huez im Gesamtklassement 6.02 min vor dem erneut abhängten Mitfavoriten Abraham Olano, Christoph Moreau (7.44) und den geständigen Dopern des Vorjahres Zülle (7:47) und Laurent Dufaux (8.07).

Richard Virenque, eine der Hauptpersonen des Dopingskandals vom Vorjahr, wurde 6. und fuhr gestern erstmals seit 1997 wieder im rot-weiß gepunkteten Trikot des besten Kletterers.

Da bei der Tour spätestens seit 1998 der Verdacht immer mitradelt, stehen einige Beobachter angesichts der phänomenalen Leistungsexplosion des genesenen Krebspatienten Armstrong (27) vor einem Rätsel. Der Belgier Johan Bruyneel, Teamchef von Armstrong, sagt lapidar: „Unser Geheimnis heißt Arbeit.“

Während die Veranstalterzeitung L'ÉquipeArmstrong inzwischen mit seinem Namensvetter Neil vergleicht, schwingen in anderen französischen Zeitungen wieder leise Zweifel an der Redlichkeit mancher sportlicher Leistung mit. Libération berichtete gestern über „die Wut derjenigen, denen man eine saubere Tour versprochen hatte“ und sprach von perfekter Inszenierung und Dramaturgie: „Armstrong ist der Wunderbare, Virenque der Verfolgte und Zülle der Reuige.“