„Insgesamt fehlen kaum Ausbildungsplätze“

■ Joachim Häußler, Ausbildungsbeauftragter beim Industrie- und Handelstag, gibt sich optimistisch. Das Versprechen aus den Bündnis-Gesprächen, ausreichend Lehrstellen zu schaffen, werde gehalten

taz: Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften versprechen in ihrem Ausbildungskonsens: „Jeder junge Mensch, der kann und will, wird ausgebildet.“ Wie wollen Sie die derzeit fehlenden Ausbildungsplätze schaffen?

Wir behaupten, daß in der globalen Bilanz kaum Ausbildungsplätze fehlen. Bis zum Ausbildungsbeginn tut sich noch viel auf dem Ausbildungsmarkt. Es scheiden Leute aus, die dann doch eine andere schulische Weiterbildung machen. Diese Plätze müssen schnell wieder besetzt werden. Die Wirtschäftsverbände werden außerdem Appelle an die Firmen richten und Ausbildungsplatzwerber herumschicken. Wir haben zudem ermittelt, daß im Jahr etwa 15.000 Leute am ersten Tag ihrer Ausbildung bei den Firmen einfach nicht erscheinen.

Was passiert, wenn es der Wirtschaft nicht gelingt, die zugesagten Ausbildungsplätze zu schaffen? Der DGB hat gedroht, daß es dann eine Ausbildungsabgabe geben wird.

Ich gehe davon aus, daß die notwendige Zahl von Lehrstellen in diesem Jahr geschaffen werden kann. Diese Abgabe wird in so kurzer Zeit nicht kommen können, weil dies eine gesetzliche Veränderung wäre. Wir sind außerdem überzeugt, daß dadurch nicht ein einziger zusätzlicher Ausbildungsplatz geschaffen würde.

In Zukunft sollen regelmäßig Ausbildungskonferenzen stattfinden. Was ist das Ziel?

Jugendliche, die bis zum Oktober noch keinen Ausbildungsplatz haben, werden eingeladen, zu einer Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder zum Arbeitsamt zu kommen. Wir versuchen sie dann in einem Betrieb unterzukriegen. Wenn das nicht klappt, bekommt der Bewerber einen Platz in einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte.

In den Informations- und Telekommunikationsberufen soll die Zahl der Ausbildungsplätze von 14.000 auf 40.000 steigen – wie kommt das?

Die Erkenntnis setzt sich durch, daß jeder größere Betrieb, der eine vernetzte EDV-Anlage hat, in diesen Berufen ausbilden kann.

Zudem sind in den letzten vier Jahren etwa vierzig neue Berufe entstanden. Vor allem im Bereich der Service-Leistungen, im Vereinsmanagement und im Gesundheitswesen. Oder Fachkräfte für Facility-Management, also Gebäudebewirtschaftung.

Im Ausbildungskonsens heißt es, die Bundesländer sollten die Ausbildungsfähigkeit stärken. Heißt das, daß den Schulabgängern das nötige Grundwissen fehlt?

Es wird immer wieder beklagt, daß viele Schüler der allgemeinbildenden Schulen Grundfertigkeiten wie Rechnen, Schreiben, Lesen nicht beherrschen. Die neuen Berufe werden immer anspruchsvoller – deshalb ist das ein großes Problem.

Auf der anderen Seite fordert die Wirtschaft die Verkürzung der Berufsschulzeit. Ist das nicht ein Widerspruch?

Die Berufsschule ist nicht dazu da, den Leuten Lesen und Schreiben beizubringen. Auf der anderen Seite wird dort vieles gemacht, was mit dem Beruf gar nichts zu tun hat. Sport oder Religion zum Beispiel. Diese Zeit geht dem Fachunterricht verloren.

Interview: Tina Stadlmayer