Großer US-Bahnhof für Ehud Barak

Der israelische Ministerpräsident wird in den USA mit großer Freundlichkeit empfangen. Zugleich wirbt er für eine Uminterpretation des Wye-Abkommen  ■   Von Georg Baltissen

Er freue sich auf den Besuch des israelischen Premiers Ehud Barak wie „ein Kind auf ein neues Spielzeug“, hatte Bill Clinton, etwas mehrdeutig, im Vorfeld der Visite verlauten lassen. Vermutlich war es kein Wunder, daß der US-Präsident sich derart kindlich äußerte, nach all den bitteren Erfahrungen mit einem Benjamin Netanjahu, dessem Wort zuletzt niemand mehr hatte Vertrauen schenken wollen. Der Präsident hoffe jedenfalls auf „faire und gerechte“ Bedingungen, um dem Friedensprozeß in Nahost „neues Leben“ einzuhauchen, ließ er verlauten. Sein israelischer Besucher war da deutlich fordernder. Die USA, so Barak, sollten ihre Rolle „als Richter, Schiedsrichter und Polizist“ zugleich im Friedensprozeß aufgeben. Als „fairer Vermittler“ seien die USA dagegen jederzeit willkommen. Die Verbesserung der Beziehungen zu den USA glaubte Barak, wohl nicht ganz zu Unrecht, schon im Sack zu haben.

Die Freude in Washington war allenthalben so groß, daß Baraks Wunsch nach einer Neubestimmung des Wye-Abkommens nicht rundweg ausgeschlagen, sondern in wolkigen Formulierungen als diskutabel bezeichnet wurde. Barak wird bei seinem einwöchigen Aufenthalt die Ehre zuteil, gleich mehrmals mit Clinton zusammenzutreffen. Dem Empfang im Oval Office folgen Gespräche auf dem präsidialen Landsitz in Camp David sowie Gespräche mit weiteren ministerialen US-Vertretern. Erwarten darf Barak, bei grundsätzlicher Zustimmung zum Wye-Abkommen, daß die USA die Ausschüttung von 1,2 Milliarden Dollar für die Kosten des Truppenabzugs nicht länger blockieren werden. Als kühler Rechner und großer Taktiker wird Barak, der nach eigenen Worten politisch in die Fußstapfen des ermordeten Jitzhak Rabin treten will, keine großen Versprechungen abgeben.

Dazu gehört zuerst die Begrenzung der Rolle des CIA in der Überwachung der Sicherheitsvereinbarungen mit der palästinensischen Autonomiebehörde. Diese Einmischung ist Barak ein Dorn im Auge, diente sie doch dazu, den Palästinensern zu bescheinigen, daß sie alle Sicherheitsvereinbarungen umgesetzt hatten. 2.000 Hamas-Mitglieder hat Arafat nach eigenem Bekunden in den vergangenen Monaten festsetzen lassen, ungeachtet der Kritik von Menschenrechtsgruppen.

Vielleicht waren es all diese Befürchtungen, die die Palästinenser veranlaßten, die umstrittene Konferenz der Unterzeichnerstaaten der 4. Genfer Konvention in dieser Woche nicht einfach abzusagen. Allerdings wurde die Konferenz gestern nach einer halbstündigen Debatte vertagt. Grund hierfür war nach Angabe westlicher Diplomaten die „verbesserte Atmosphäre im Nahen Osten“. Gleichwohl wird in einer Erklärung festgehalten, daß die 4. Genfer Konvention auf die 1967 von Israel besetzten Gebiete, einschließlich Jerusalem, anwendbar sei. 100 der 188 Vertragsstaaten waren vertreten. Israel und die USA hatten die Konferenz boykottiert. Die Konvention untersagt die Ansiedlung der eigenen Zivilbevölkerung in besetzten Gebieten. Der palästinensische Planungsminister Nabil Shaath erklärte, daß der Sinn der Konferenz darin gelegen habe, eine deutliche Botschaft an Barak geschickt zu haben. Diese Botschaft laute, daß Siedlungen und Frieden unvereinbar seien.