Pflanze Nimmersatt

■ Klamauk garantiert: „Der kleine Horrorladen“ auf deutsch im Imperial

Unter einem trauten Heim, in dem das Glück der Erde wohnt, stellt man sich einen spießbürgerlich kleingeistigen Mikrokosmos vor. Darin verrichtet Mutti reklamegerecht ihre Hausbarbeit, und Papi beschützt die Vorortfamilie, deren heile Welt alles absorbiert, was nicht in der Schrankwand Marke „Eiche massiv“ Platz findet. So zum Beispiel eine fleischfressende Pflanze, die Sympathien für Vampirismus hegt.

Audrey jedoch kennt das friedliche Kleinfamilienleben nur als Utopie aus Heim und Garten, einen blutversessenen Störenfried in dieser Idylle kennt sie gar nicht. Dafür aber das Dasein in der Skid Row, dem Slum. Passend zu dieser Tristesse gehört dann noch ein Sozusagen-Freund, der auf Handschellen und Klapse auf den Popo steht.

Der kleine Horrorladen meint nun aber gar nicht ihr Schicksal, sondern bekanntlich das absurde Geschehen in einem Blumenladen. Das ganze Trara um die mysteriöse Pfanze aus dem All und die zarte Liebe zwischen Audrey und ihrem Kollegen Seymour hat Frank Thannhäuser im Imperial Theater inszeniert – und zwar erstmalig auf deutsch. Der Klamauk ist geblieben. Ein Segen, sonst müßte man ernsthaft an den Rollenklischees verzweifeln.

Audrey (Carola Thierheimer), ein Phänomen in Push-ups unter wütend häßlichen Kleidungsstücken, kann sich nur schwerlich von ihrer unterwürfigen Seite trennen. Mit Freuden läßt sie sich für Seymours Karriere an die Pflanze Nimmersatt verfüttern. Das ist schon harte Kost. Gerechterweise klettert der waschechte Antiheld Seymour (Maarten Flügge) bald ins Haifischmaul hinterher, das fast den gesamten Blumenladen plus Bühne ausfüllt.

Hier folgen sie aber nur einer höheren Macht, der schon der lachgassüchtige, sadistische Zahnarztfreund Audreys zum Opfer fiel. Da der krank und böse war, ist das natürlich nicht so schlimm. Schade aber deshalb, weil Jerry Marwig diesen Charakter so gur spielt und singt, daß man sich nur ungern von ihm trennt. Doch auch Ladenchef Mushnig (Tetje Mierensdorf) überzeugt in der Rolle des grobschlächtigen Geldsacks.

Überhaupt ist die Gesangsleistung aller Darsteller beeindruckend, wenngleich ein paar Verstärker weniger es auch getan hätten. Daran nämlich leidet die deutsche Version, die eigentlich geglückt ist. Gewollt bis anzüglich wirkt eigentlich nur, daß „Gib's mir!“, das das quengelnde Gewächs in einer Tour skandiert. Gemeint ist natürlich „Fütter mich!“ („Feed Me!“), was aber zuviele Silben hat. Die Stimme des Monsters kommt von Melvin Eddmondson, der wie als Apollo-Sänger bei Buddy Holly schlicht am besten singt. Wann immer also die Übersetzung im Klanggetöse verwischt, könnte man sie fast mit Englisch verwechseln.

Liv Heidbüchel

Donnerstags bis sonntags, 20 Uhr, Imperial Theater