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Die Sache mit der Mondlandung

Gegen Ende ekstatisch: die Klangkaskaden von John McLaughlins und seinen Zeltmissionaren Shakti beim WestPort-Festival  ■ Von Andreas Schäfler

E

s klappt also nach wie vor. Schiere Virtuosität peitscht ein Konzertpublikum immer noch am zuverlässigsten auf und vermag es, nach langen und sich stetig steigernden Klangkaskaden, in pure Verzückung zu treiben: John McLaughlin und seine indischen Partner stellten die zeitlose Gültigkeit des alten Zauberwortes „Shakti“ unter Beweis – als Zeltmissionare beim Westport-Festival.

Der Ruhm, vor einem Vierteljahrhundert einer der weltbesten, weil schnellsten Gitarristen gewesen zu sein, pflastert noch heute seinen Weg. Oder klebt ihm als schlechter Ruf an den Füßen: Kaum eine Ankündigung, die John McLaughlin nicht auf den ewigen Hochleistungssportler reduziert hatte. Über einige der stilistischen Grenzgänge, die er in gutem englischem Pioniergeist vom alten Basislager Jazzrock aus unternommen hat, mag man retrospektiv die Nase rümpfen.

Doch Shakti, seine 1976 mit dem Tabla-Spieler Zakir Hussain, dem Perkussionisten T.H. Vinayakram und dem Geiger L. Shankar begonnene Konfrontation von Jazz mit indischer Musik, war tatsächlich sensationell – und riskant dazu. Das Attribut Weltmusik war damals weder erfunden, noch hätte es gepaßt, denn bei diesem Austausch zwischen zwei hochgradig eigenständigen Musikrichtungen sollte nicht auf Teufel komm raus eine dritte generiert werden. Also verließ man sich auf die gegenseitige Neugier, verabredete sich auf unschuldige Basiskompromisse und verfolgte eine gegenseitige Durchdringung für die Dauer von magischen Momenten.

Die sind in der aktuellen Shakti-Formation jederzeit abrufbar. Die Dramaturgie ihres Auftritts war so simpel wie unfehlbar. In den Bann ziehen vor allem das ungeheuer dynamische Tabla-Spiel von Zakir Hussain und die Tamburin-Künste von Selva Vinayakram: enorm federnd, obwohl streng strukturiert, keine Spur von Groove, sondern sture Übung mit ekstatischem Ausgang. Dann setzt McLaughlin ein, mit seinen zwei goldenen Händen: Sie machen, was immer er will. Tempo zu bolzen, gehört nur bedingt dazu. Der andere Saitenvirtuose, Srinivasa, wirkt oft wie ein Alter ego des Leaders. Die melodieseligen Läufe dieser Saitenartisten schielen nicht auf Tricks, sondern haben eine ideale Synthese der beiden musikalischen Welten im Blick.

Die Kompatibilität von indischer Musik und Jazz ist seit ihrer Entdeckung längst nicht so folgenreich ausgeartet, wie die interessierte Öffentlichkeit zunächst gedacht hatte – und insofern vielleicht mit der ersten Mondlandung vergleichbar: Nach dem Beweis der Machbarkeit wandte man sich neuen Zielen zu. Das Sensationelle an Shakti aber verfängt erneut. Das Konzert gerät zur spielerischen Unterweisung. Und auf eine allzu spirituelle Wirkung legen es die vier Musikanten zum Glück nicht an.

Die Musik mit ihren vielen gönnerhaften Momenten ist festivaltauglich wie nur was. Und wie zum Beweis, daß kein schlechter Mensch sein kann, wer seine Karriere mit einer Platte wie Extrapolation begann, spendiert McLaugh-lin gegen Ende einen Blues, dessen zaghaftes, rudimentäres Intro das schönste Solo des Abends war.

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