Die Archive schlagen zurück

■ Der zweite Teil der Video-Chronik „Bremen von 1945 bis 1989“ hat am Sonntag in der Schauburg Premiere

Man verzeiht den Dokumentarfilmern ja fast alles, wenn sie nur etwas Neues präsentieren – oder noch viel besser: wenn sie ungesehene Bilder vom Altbekannten zeigen. Deshalb sind die vielen „Unser Jahrhundert im Bild“-Sendungen im Fernsehen Publikumsrenner, und deshalb wurde auch das erste Video der Bremenchronik von Diethelm Knauf (Buch & Recherche) und Ulrich Scholz (Regie & Schnitt) solch ein Erfolg.

9.000 verkaufte Kassetten, 6.000 Besucher im Kino – Produzent Hermann-J. Pölking Eiken hat die Marktlücke bereits fest im Blick, und so bastelt das Team schon an Videos über Bremerhaven, Oldenburg und Hamburg. Dabei sind die beiden Macher alles andere als begnadete Filmemacher. Der zweite Teil ihrer Bremen-Trilogie hat die gleichen Schwächen wie sein Vorgänger: Filmmusik und Sprecherstimme leiern monoton, der Text ist so pädagogisch wie Lehrfilme aus den 60ern. Schlimm wird es, wenn Knauf und Scholz versuchen, die drögen Fakten durch bemühten Humor aufzulockern (“Korn und Pinkel“). Aber man verzeiht diesen Filmen vieles, und die Bremer Videomacher hatten so viel gutes Archivmaterial zur Verfügung, daß den Lokalpatrioten auch hier wieder die Augen übergehen.

„Müssen wir von jetzt an immer Steckrüben essen?“ fragt das Jahr 1946 in einer Wochenschau aus der Zeit mit einer Kinderstimme, und der Film zeigt dazu die Trümmerlandschaften der Stadt nach dem Krieg. Von den 50er Jahren sieht man vor allem Handel und Wandel: die vollen Häfen, Borgward und den Hafenarbeiterstreik um 5 Pfennig Lohnerhöhung. Hier schnitten die Filmemacher seltsamerweise viel schneller als bei den späteren Dekaden. Man kann kaum so schnell gucken, aber das liegt daran, daß die Filmausschnitte von damals jeweils nur so kurz waren.

Protzen konnten und wollten Knauf/Scholz mit ihren Schätzen aus den 60ern: Dutschke in der Lila Eule, Bruno Ganz im Bremer Theater und Uschi Nerke im Beatclub – sie ist neben dem Unternehmer Rolf Fastenau und dem Betriebsrat Eike Hemmer auch einer der drei Zeitzeugen, die für den Film interviewt wurden und mit ihren Analysen statt zu erhellen eher den Erzählrhythmus ins Stolpern bringen. Von den 70ern bleibt schon weniger in Erinnerung (Reformuni und das schöne Ostertorviertel), und bei den 80ern machten die Filmemacher nur noch Dienst nach Vorschrift – die waren ja auch längst nicht mehr so spannend.

Nur die Bilder von der englischen Königin bei einem „Stadt-besuch“ auf dem Marktplatz (mit Koschnick und Roland im Hintergrund) bleiben als Kuriosität in Erinnerung. Markt und Roland bilden natürlich auch das Leitmotiv des Films: pro Dekade gibt es mindestens einen Panoramaschwenk, und das sorgte bei der Pressevorführung immer wieder für Ahs und Ohs, denn hier konnten an Details die Zeitläufe eindrucksvoll auf den Punkt gebracht werden. In den 50er fuhr die Straßenbahn noch ganz anders, in den 60ern gab es noch Autoverkehr an der alten Börse vorbei, und in den 80ern wurde die Meisterschaft von Werder gefeiert. Recht simpel, wie ja im Grunde auch die ganze Chronik – aber das sind halt die Bilder, die Erinnerungen an die Heimatstadt heraufbeschwören. Wilfried Hippen

Die Premiere ist nur für geladene Gäste, aber von der nächsten Woche an ist der Film jeweils Sonntagmittag in der Schauburg zu sehen (Tel.: 792 55 13)