Erkenntnisnebel um Elektrosmog

Die Debatte um Gesundheitsrisiken beim Mobiltelefonieren hat eine Reihe neuer Studien zur Wirkung elektromagnetischer Felder hervorgebracht – ohne Klarheit zu schaffen    ■ Von Kim Kindermann

Mobiltelefonierer denken schneller, verkündete Anfang April dieses Jahres der englische Physiker Alan Preece und löste damit eine Welle der Befreiung aus: Handys schaden dem Gehirn des Menschen also nicht, so die frohe Botschaft, die sogleich die Runde machte. Weltweit atmete eine halbe Milliarde von Handy-Nutzern auf – endlich war der Spuk vorbei, der den Griff zum allseits geliebten Mobiltelefon sonst so widersprüchlich machte.

Dr. Alan Preece von der Universität in Bristol hatte im Auftrag seiner Regierung untersucht, was dran ist am ewigen Gerücht der Schädigung des menschlichen Gehirns durch Mobiltelefon-Benutzung. Untersucht wurden 36 Testpersonen, die über eine Apparatur am Ohr mit elektronischen Wellen bestrahlt wurden und gleichzeitig per Knopfdruck Aufgaben am Monitor lösen mußten. Das Ergebnis: Testpersonen, die mit Wellen, wie man sie beim D1- und D2-Netz findet, bestrahlt wurden, reagieren 3,5 Millisekunden schneller als die anderen Probanden, die keiner Bestrahlung ausgesetzt waren. Und so verkündete der Brite: Die Funkstrahlen verbessern das Reaktionsvermögen des Menschen. Aber warum passiert das? Preece selbst lenkte ein und machte dadurch die frohe Botschaft gleich wieder zunichte: Möglicherweise, so Preece, deute die schnellere Reaktion des Gehirns auf Streß hin. Quasi aus Selbstschutz wehre sich das Gehirn gegen die eindringenden Strahlen. Aber dennoch: Eine Gefahr für die Gesundheit bestehe trotzdem nicht. Alles klar?

Elektromagnetische Wellen sind allgegenwärtig, man kann sie weder sehen noch hören. Und vielleicht macht gerade das sie so unheimlich. Viele fürchten, daß die von Handys und Sendemasten ausgehenden elektromagnetischen Felder Krankheiten wie Schlaflosigkeit und sogar Krebs auslösen können. Aber nicht nur Mobiltelefone sind ins Gerede gekommen. Auch Radiogeräte, Babyphone und andere elektronische Geräte sollen am Elektrosmog beteiligt sein. Doch eindeutige Beweise gibt es nicht: Für jede Studie, die gesundheitsschädigende Effekte nachweist, gibt es eine andere, die dies verneint.

So etwa eine vor zwei Jahren gemacht Studie: Australische Wissenschaftler beobachteten eine erhöhte Tumorhäufigkeit bei Mäusen, die über 18 Monate mobilfunkähnlichen Strahlen ausgesetzt waren. Dem Schock folgte die Ernüchterung, als klar wurde, daß den Mäusen zuvor ein Krebsgen eingepflanzt worden war. Zudem wurden die Mäuse einer Ganzkörperbestrahlung ausgesetzt, während Handy-Wellen beim Menschen nur wenige Zentimeter tief in den Kopf eindringen. Die Tiere entwickelten keine Hirntumore.

Das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz sah keinen Handlungsbedarf, nachdem auch die Australier die Übertragbarkeit von Tierversuchen auf den Menschen ausgeschlossen hatten.

„Einzelne gefundene Phänomene sind nicht automatisch mit gesundheitsgefährdenden gleichzusetzen oder auf den Menschen übertragbar“, heißt es dann auch auf der Homepage des Amtes.

Ebenso erging es einer amerikanischen Untersuchung. 1996 wurden 17.000 Frauen untersucht. Bei den Frauen, die an ihren Arbeitsplätzen stärkeren Magnetfeldern ausgesetzt waren, stellte man ein leicht erhöhtes Risiko für Brustkrebs fest. Schon damals wußte man, daß elektromagnetische Felder die Produktion des Hormons Melatonin verringern. Eine mögliche krebsfördernde Wirkung war daher denkbar, Melatonin hemmt unter anderem das Wachstum von Tumoren und schützt die Zellen vor besonders aggressiven Molekülen. „Biologisch plausible Erklärungen zur Krebsentstehung durch Magnetfelder gibt es nicht“, so das Bundesamt für Strahlenschutz.

Aber dennoch gelten für Handys besondere Bestimmungen: In Flugzeugen, Kliniken und anderen medizinischen Einrichtungen sind sie verboten, und Menschen mit Herzschrittmachern sollen die Mobiltelefone nicht in der Brusttasche tragen. Die Gefahr, daß hier eins der jeweils notwendigen und stellenweise ja auch lebenswichtigen Geräte ausfällt, ist unbestritten. Ausschalten oder den richtigen Abstand halten ist also lebenswichtig!

Das scheint auch generell beim Umgang mit allen elektronischen Geräten nicht unklug zu sein. Auch Hersteller technischer Geräte raten ihren Kunden möglichst immer einen Abstand von einer Armlänge oder einem Meter einzuhalten. So rundweg abstreiten, daß Elekrosmog nicht doch krank macht, möchte das dann doch keiner. Das Warten auf eine neue Studie kann also beginnen.