Der Kirchbauhof wird zum Dienstleistungsunternehmen

■ Aus dem Selbsthilfeprojekt ist einer der größten Arbeitgeber Kreuzbergs geworden

Die gelbe U-Bahn rumpelt über die rote Backsteinbrücke, das Sommerlicht funkelt auf der braunen Spree. Sie genießen eine schöne Aussicht, die Verwaltungsmitarbeiter der Kirchbauhof GmbH. Die Kreuzberger Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, einer der größten Arbeitgeber des Bezirks, lud gestern zur ersten Bilanzpressekonferenz in der Geschichte des Unternehmens an ihren Sitz direkt an der Oberbaumbrücke.

Im Unterschied zu üblichen Bilanzpräsentationen gehe es jedoch nicht darum, große Gewinne zu verkünden, erklärte Geschäftsführer Matthias Roß. Vielmehr werde es für das gemeinnützige Unternehmen immer wichtiger, die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit mit Projekten zu verknüpfen, die „unmittelbar der Allgemeinheit zugute kommen“. 37 solcher Projekte hat der Betrieb im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht und damit für 325 Frauen und Männer eine Beschäftigung geschaffen. Auf 20,8 Millionen Mark beziffert Roß den Jahresumsatz. Dabei seien 16,8 Millionen Mark aus öffentlichen Kassen gekommen. Rund 4 Millionen Mark habe man über Aufträge selbst erwirtschaftet. Allein in der Bauabteilung seien etwa 120 Menschen beschäftigt.

„Kerngeschäft“ sei auch künftig das ökologische Bauen, berichtete Roß. Angefangen hatte alles vor acht Jahren mit dem „Heiligen Kreuz“: Damals begann der Kirchbauhof die markante Kreuzberger Kuppelkirche umzubauen und zu sanieren. Fast dreihundert Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger verschönerten fünf Jahre lang das Gotteshaus. Heute gibt man sich etwas weniger christlich: Beim Bauen reicht das Spektrum von der Reihenhaussiedlung in Lehmbauweise bis zur klassischen Altbausanierung.

Ansonsten hat sich die Beschäftigungsgesellschaft zu einem Dienstleistungsunternehmen entwickelt: Ein Catering-Service gehört ebenso dazu wie eine Arbeitsvermittlung. Darüber hinaus wurde das Quartiersmanagement im Kreuzberger Wrangelkiez übernommen und die Veranstaltungsagentur Akanthus gegründet, die Konzerte, Vorträge und Ausstellungen in Kirchen organisiert.

Schwierigkeiten bereitet den Kirchenbauern die Zusammenarbeit mit den Geldgebern, auch die mit der Stadtbezirksverwaltung in Kreuzberg. Hier sei eine engere Abstimmung nötig, forderte Roß.

Der grüne Bezirksbürgermeister Frank Schulz hielt dem entgegen, dies sei bei dem Wettbewerb, der auch unter öffentlich geförderten Gesellschaften und Projekten herrsche, schwer zu realisieren. Ansonsten zeigte sich Schulz „sehr zufrieden“ mit dem Engagement des Kirchbauhofs – bei einer Arbeitslosenquote von 30 Prozent im Bezirk kein Wunder.

Dennoch: Die „Nichtplanbarkeit der Finanzierung“, so die Sprecherin Anna-Sabine Ernst, könnte sich in Zukunft als ernstes Problem erweisen. Bereits 1998 mußte eine der größten Beschäftigungsgesellschaften der Stadt, die Kreuzberger Solarfirma Atlantis, Konkurs anmelden, weil erwartete ABM-Mittel ausblieben. 160 Arbeitsplätze gingen so flöten. Auch der Kirchbauhof steckte damals in einer „schweren Krise“, so Ernst. Diese habe sich nur deswegen nicht ausgeweitet, weil man noch über EU-Fördermittel verfügt habe. Richard Rother