„UNO sollte ihre Präsenz verdoppeln“

■  Der osttimoresische Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta fordert im taz-Interview Sanktionen gegen Indonesien, sollte Jakarta nicht die Angriffe proindonesischer Milizen in Ost-Timor beenden und dort für ein friedliches Referendum sorgen

In Ost-Timor hat gestern die Registrierung für die Abstimmung über die politische Zukunft der von Indonesien annektierten Inselhälfte begonnen. Nach UN-Angaben mußte die Eintragung in die Wählerlisten in vier Dörfern im Süden verzögert werden, die von proindonesischen Milizen angegriffen wurden. Als die Bewohner sich gewehrt hätten, sei ein Milizionär getötet und mehrere Dorfbewohner verletzt worden. Die von der UNO überwachte Abstimmung über die Unabhängigkeit der früheren portugiesischen Kolonie oder den Verbleib bei Indonesien ist für den 21. August geplant. taz: Die gewaltsamen Angriffe proindonesischer Milizen nehmen zu. Kann das Referendum Ende August stattfinden? José Ramos-Horta: Es kann stattfinden, wenn Indonesien die Angriffe der Milizen stoppt und die Verantwortlichen festnimmt und vor Gericht stellt, wie es der UN-Generalsekretär verlangt.

Wenn nicht, muß dann die Abstimmung erneut verschoben werden?

Fehlen die Voraussetzungen, daß die Abstimmung frei, sicher und demokratisch ist, darf sie nicht durchgeführt werden. Dann muß die internationale Gemeinschaft mittels Sanktionen ihren Druck auf Indonesien verstärken und es zwingen, sein Verhalten zu ändern. Die Verantwortung für ein Ende der Gewalt in Ost-Timor liegt ganz und gar bei Indonesien.

UN-Vertreter sind in Ost-Timor, um die Abstimmung vorzubereiten, aber die Milizen greifen sogar UN-Mitarbeiter an. Ist deren Kontingent zu klein?

Die UNO sollte ihre Präsenz zumindest verdoppeln.

Sie durfte kürzlich zum ersten Mal seit 24 Jahren nach Indonesien reisen und trafen dort Vertreter der Regierung und des Militärs. Was war Ihr Eindruck?

Das Treffen mit Außenminister Ali Alatas war sehr positiv. Ich glaube, daß Alatas, der Justizminister und manch andere das Timor-Problem wirklich friedlich lösen möchten – auf eine für Indonesien ehrbare Weise. Auf der anderen Seite stehen die Militärs. Die haben keine guten Absichten und tun alles, um die Volksabstimmung zu torpedieren. Leider haben in Indonesien die Streitkräfte das Sagen.

Ost-Timors Unabhängigkeitsbewegung macht kaum Werbung, obwohl bereits in fünf Wochen abgestimmt wird. Die Integrationisten ziehen dagegen lautstark umher.

Die timoresische Volk braucht keine Kampagnen mehr. Die Kampagne für die Unabhängigkeit – dafür zu wissen, was recht ist und was nicht – läuft seit 23 Jahren. Außerdem ist eine freie, demokratische Debatte unmöglich, solange in Ost-Timor Terror herrscht.

Die Integrationisten sind omnipräsent. Entsteht so nicht der Eindruck, viele Ost-Timoresen seien gegen die Unabhängigkeit?

Das Volk von Ost-Timor ist ein weises Volk. Die Barbareien der letzten 23 Jahre genügen, auch noch Zweifelnde darüber aufzuklären, auf welcher Seite die Gerechtigkeit steht, welche Seite lügt, wer unterdrückt, wer falsche Versprechungen macht und wer die Versprechen einhält. Deshalb haben wir es nicht nötig, eine Kampagne zu machen.

Wie stellen Sie sich das politische System eines unabhängigen Ost-Timors vor?

Wir wollen einen demokratischen Rechtsstaat mit freier Marktwirtschaft. Wir sind auch für die Versöhnung. Wir wollen die Hand auch zu jenen ausstrecken, die für die Integration sind. Sie sollen sich an der neuen Regierung beteiligen können.

Welche Rolle wird der unter Hausarrest stehende Führer der Unabhängigkeitsbewegung, „Xanana“ Gusmao, in einem timoresischen Staat spielen?

Er wird der erste Chef einer Übergangsregierung sein. Er ist die dafür am besten geeignete Person. Er hat die größte moralische Autorität. Nach einer Übergangsfrist von zwei bis drei Jahren unter UN-Flagge wird das Volk in freien und demokratischen Wahlen seine Vertreter bestimmen können.

Interview: Susanne Rindlisbacher