Der Klingelbeutel geht um

Durch die rot-grüne Steuerreform drohen den Kirchen Einbußen bei der Kirchensteuer. Mit Vertretern von Bund und Ländern sollen Vorschläge erarbeitet werden, wie mehr Geld ins Kirchensäckel wandert  ■   Von Tina Stadlmayer

Berlin (taz) – Wird die Kirchensteuer erhöht? Sollen in Zukunft auch Rentner und Geringverdiener zahlen? Über diese Fragen zerbrechen sich Finanzexperten der Kirchen, der Länder und der Bundesregierung in einer neu eingerichteten Arbeitsgruppe die Köpfe. Bis November wollen sie Vorschläge ausarbeiten, wie die Einnahmen der Kirchen in Zukunft stabil bleiben können.

Rund 55 Millionen Bundesbürger gehören der katholischen bzw. der evangelischen Kirche an. Sie zahlen im Jahr etwa 15 Milliarden Mark Kirchensteuer. Durch die geplante Steuerreform werden die Kirchen, denen ohnehin die Mitglieder davonlaufen, nach eigenen Angaben von 2002 an etwa 1,5 Milliarden Mark weniger Einnahmen haben. Die Kirchensteuer beträgt, je nach Bundesland, acht oder neun Prozent der Einkommensteuer. Rentner, Arbeitslose, Geringverdiener und Abschreibungskünstler bleiben verschont. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) schlägt vor, die Kirchensteuer in Zukunft vom Bruttoeinkommen zu berechnen. Damit würden auch Rentner und Geringverdiener zur Kasse gebeten. Der Chef der Steuerkommission der evangelischen Kirche (EKD), Adolf Zeitler, hält diese Idee für Unfug. Bei Selbständigen sei es nicht möglich, das Bruttoeinkommen zu ermitteln.

Einige Experten schlagen das „Modell Österreich“ vor. Dort müssen Katholiken und Protestanten Mitgliedsbeiträge zahlen, die von einer kircheneigenen Verwaltung erhoben werden. Nachteil: In Deutschland, wo die Kirchensteuer von den Finanzämtern eingezogen wird, müßte ein teurer Verwaltungsapparat aufgebaut werden. Zeitler lehnt auch die naheliegende Idee ab, die Kirchensteuer auf zehn Prozent zu erhöhen: „Das wäre nicht vermittelbar.“

Das Dilemma der Kirchen: Jede der vorgeschlagenen Maßnahmen könnte zu mehr Kirchenaustritten führen. Damit würde unter dem Strich weniger statt mehr Geld hereinkommen. „Auch seelsorgerisch wären noch mehr Austritte nicht wünschenswert“, sagt Zeitler. Die evangelische Kirche bessert ihre Einnahmen seit kurzem durch das sogenannte Kirchgeld für Ehepaare etwas auf. Auch wenn der verdienende Ehepartner kein Kirchenmitglied ist, muß das nicht verdienende Mitglied bis zu 4.500 Mark Kirchgeld im Jahr bezahlen. Die Katholiken-Vertreter lehnen dieses Kirchgeld ab. Sie fürchten um den „innerfamiliären Frieden“.

Jens Petersen, Steuerreferent der EKD, macht sichSorgen um die Zukunft der sozialen und karitativen Einrichtungen seiner Kirche: „Es wird immer schwieriger, die Haushalte zu finanzieren.“ Wenn sich nicht bald neue Einkommensquellen erschließen, fürchtet er, daß Suchtberatungsstellen oder Tagesstätten für Wohnungslose geschlossen werden müssen. Auch für Kindergärten und Entwicklungshilfeprojekte werde es weniger Geld geben. „In Zukunft könnte es zu Entlassungen kommen“, sagt Petersen.