Christus, der Herrscher der Unordnung

■ Zum Auftakt des Oldenburger Kultursommers durften auch die Oldenburger Blaumeier-Variante „Blauschimmel“ Maske zeigen. Doch gefördert werden sie kaum

Die Farbe Blau breitet sich unaufhaltsam in der norddeutschen Tiefebene aus. Selbst Oldenburg ist seit gut einem Jahr nicht mehr der blaufreien Zone zuzurechnen, denn seit Mai –98 gaukeln die Masken des „Blauschimmel Ateliers“ durch die hiesige Kulturlandschaft. Trotz beengter Arbeitsbedingungen in Räumen der „Kulturetage“ hat es ein Team von gerade mal eineinhalb ABM-Kräften und einem Dutzend ehrenamtlicher HelferInnen geschafft, „verrückt Normale und normal Verrückte“ an täglichen Blaustellen Freiräume für die künstlerische Entfaltung zu bieten.

Seit Mai –99 wird nun in neuen Räumen an Masken geknetet, Theater gespielt, gesungen, gemalt. Und im Cafe „Blaue Bohne“ gibt es selbstgebackenen Kuchen. Der Umbau einer ehemaligen Werklstatt in der Kulturetage zu behindertengerechten Atelierräumen wurde von der Landesarbeitsgemeinschaft für Soziokultur mit 150.000 DM bezuschußt. Von der Stadt gibt es bislang keinen Pfennig. Obwohl die Blauschimmel dem Oberbürgermeister zum Kultursommerauftakt –98 so nett den Schirm hielten.

Auch dieses Jahr belebten sie mit ihren kokett-provokativen Performances auf dem Schloßplatz das Warten auf den offiziellen Beginn des Oldenburger Kultursommers mit dem französischen Straßentheater „Les Tretaux du Coeur“.

Etwas abseits von diesem Trubel, in der Bergstraße, wurden die Ergebnisse des Kunstateliers erstmals einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert. Ein durchaus mutiger Schritt der Galeristin Sabine Löhr. Denn an der unpretentiösen Frische dieser „Positionen“ mag sich die Diskussion um den hehren Kunstbegriff durchaus wieder mal entzünden – gerade in einer städtischen Kulturlandschaft, die hier offenbar auf dem Weg zurück in die Zukunft ist, will heißen: zum bürgerlichen Kunstbegriff.

Für die Betreuer der Blauen Kunst in Oldenburg, Edda Akkermann, Claudia Schaper-Hoppe und Günter Beier (Bremen) erübrigt sich diese Diskussion, entpuppt sie sich doch tatsächlich seit Expressionismus und Surrealismus oftmals als Sehnsucht nach dem ordnenden, klassizistischen Ideal oder romantischen Fluchträumen. In der kleinen Galerie „ZeitRaum“ hingegen herrscht bunte Unordnung der Stile und Formen. Mit Farben im Primärbereich schaut „Jesus von Nazareth“ freundlich in den Raum. Daneben: Monochromes Orange verdichtet sich auf einem Stück abgerissenem Karton hier und da zur Form, das Bild wird Material, vize versa. Festgeklebt, irgendwie transparent, irgendwie roh, Objekt.

Rote Shadocks bevölkern eine andere Bildfläche, ovale, wetzende Wesen strömen eng aneinander gepreßt der rechten oberen Bildecke zu, fliehen von unten links. Obwohl einfarbig und einförmig wird hier nie verdichtet; Witz entströmt der rastlosen Bewegung.

Frech: Einige Arbeiten, die sich comichafter Zeichen und Kürzel bedienen. Eine Cowboyhose hängt im Bild, darunter klebt ein pfeildurchschossenes Herz, alles Blau. Andernorts: Sprache kommt hinzu, Buchstaben, abgerissen, tummeln sich in Bildkästchen – jenseits der Manierismen, mit denen Sprache oftmals geschmäcklerisch fehlende Bildaussagen illustriert. Hier ist sie selbst nämlich der Gegenstand, um sie wird gerungen, im vollkommenen Verzicht auf technisch versierte illusionistische Mittel, die auch gerne als Kunst bezeichnet werden. Marijke Gerwin

„Positionen“ Galerie ZeitRaum, Bergstr. 6, bis 14. August, Mo-Fr 16-18h, Sa 12-16h