Polizeischutz für die Bundeswehr

Nur unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen wagt sich morgen die Armee zum Gelöbnis aus der Kaserne. Ihre Kritiker wollen trotzdem stören, wenn etwa 450 Rekruten vor 2.000 handverlesenen Gästen schwören werden, das deutsche Volk „tapfer zu verteidigen“    ■ Von Andreas Spannbauer

Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin-Tiergarten wird vermutlich selten so gut bewacht gewesen sein wie am morgigen Dienstag. Denn wenn gegen 17.50 Uhr die 432 Rekruten der Bundeswehr auf dem Parkplatz nördlich des Bendlerblockes einmarschieren, um ihr feierliches Gelöbnis abzulegen, sollen sie nach dem Willen der Gegner der Zeremonie von lautstarken Protesten begleitet werden.

Das aber will die Bundeswehr, wie in den Jahren zuvor auch, auf jeden Fall verhindern: Ein Großaufgebot von Feldjägern und Polizei soll die Störer außer Hörweite halten. Von dem Versprechen der Soldaten an die Öffentlichkeit, „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“, könnte letztere dann zunächst gar nichts mitbekommen.

Zwar firmiert die Veranstaltung nach wie vor unter dem Titel „öffentliches Gelöbnis“, doch tatsächlich findet die Prozedur unter weitgehendem Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Lediglich 2.000 handverlesene Gäste dürfen der Feierlichkeit, die rund eine Stunde dauern wird, beiwohnen. Selbst für Medienvertreter gelten strengste Sicherheitsvorschriften. Unter den Gästen werden sich Bundeskanzler Gerhard Schröder, Verteidigungsminister Rudolf Scharping und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, befinden.

Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, hat sich die Bundeswehr ein sogenanntes Sondernutzungsrecht für öffentliches Straßenland zusichern lassen. Für die Dauer des Gelöbnisses wird das Areal zwischen Tiergartenstraße und Reichpietschufer zum Privatgelände, auf dem dann die Bundeswehr über das Hausrecht verfügt. Das Versammlungsrecht kann damit auf der betreffenden Fläche nicht mehr wahrgenommen werden.

„Der öffentliche Raum wird zum Privatbesitz der Bundeswehr“, kritisiert Steffen Zillich (PDS), Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, die Maßnahmen. Und die Veranstalter der Gegendemonstration haben deshalb rechtliche Schritte eingeleitet: Während sie ihre Protestkundgebung schon Mitte April angemeldet hätten, seien die Sondernutzungsrechte an die Bundeswehr erst über einen Monat später erteilt worden. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes stand bei Redaktionsschluß noch aus. Ebenfalls verboten ist die Ausrichtung der Lautsprecheranlage in Richtung der Gelöbnisprozedur – schon im letzten Jahr hatten Beamte der Polizei die Verstärkeranlage beschlagnahmt.

Für besonderen Ärger bei dem Bündnis „Gelöbnix“, in dem sich rund 20 Gruppen zusammengeschlossen haben, sorgt die symbolische Wahl des Ortes. Im Hof des Bendlerblockes waren am 20. Juli 1944 die Beteiligten des Bombenanschlages im Führerbunker Wolfsschanze standrechtlich erschossen worden. „Viele der Attentäter waren militante Antisemiten“, kritisiert Martin Hantke vom Bundesvorstand der Jungdemokraten. So hätten die Verschwörer – unter ihnen auch Kriegsverbrecher – in Erwägung gezogen, die Juden nach Madagaskar auszusiedeln, und die jüdischen Ghettos prinzipiell gutgeheißen.

Kurt Goldstein, Vizevorsitzender des Auschwitz-Komitees, sprach am Freitag sogar davon, daß Verteidigungsminister Rudolf Scharping „eine neue Auschwitz-Lüge begründet“ habe, indem er das „einmalige Verbrechen in der Weltgeschichte“ mit den „unerträglichen Verbrechen in Kosovo“ gleichgesetzt habe. „Die Bundeswehr soll wieder zu einer Aggressionsarmee gemacht werden“, begründet Goldstein die Unterstützung seiner Organisation für die Proteste gegen die Zeremonie.

Auch der Landesvorstand von Bündnis90/Die Grünen kritisiert das Gelöbnis als „reaktionär“ und „rückwärtsgewandt in seiner Anknüpfung an antidemokratische Traditionen“. In einem offenen Brief an den Bundesverteidigungsminister loben die Berliner LandesvorstandssprecherInnen Regina Michalik und Andreas Schulze gleichwohl die „Wahl von Ort und Zeit“ die an den militärischen Widerstand gegen den Faschismus anknüpften“. Als Freischein für das morgige und künftige Gelöbnisse wollen sie ihre Worte allerdings nicht verstanden wissen. Viel zu groß sei nach wie vor die Anziehungskraft der Bundeswehr auf „rechtsextrem orientierte junge Männer“. Sie fordern Scharping daher auf, „auf weitere derartige Spektakel zu verzichten und statt dessen zivilgesellschaftliche Formen der Einbindung der Bundeswehr in die Gesellschaft ohne militärisches Tamtam, Marschmusik, Helme, Fackeln und sonstige Anachronismen zu entwickeln“. Zu Protesten ruft die Partei, anders als in den Vorjahren, jedoch nicht auf.

„Herr Scharping, verzichten Sie auf derartige Spektakel mit militärischem Tamtam, Marschmusik, Helmen und Fackeln.“