Blaue Augen

■  „Solange es Liebe gibt“: Baronessa Barbara und die Sizilianer (20.15 Uhr, ZDF)

Mit einem herzlichen „ein hübscher kleiner Flecken. Den nehmen wir!“ hätten die Aliens aus „Mars Attacks!“ sich Italien samt Inseln unter den Nagel gerissen. Wortreicher und sichtlich verspannter erledigt die deutsche Repräsentantin in dem ZDF-Vierteiler „Solange es Liebe gibt“ ihre koloniale Aufgabe.

Anja Kling, Potsdams Antwort auf Bambi und Witta Pohl, hat hier in der Rolle der Baronessa Barbara alle Hände voll zu tun. Im Sizilien der 50er Jahre muß sie all den schnauzbärtigen Rülpskolben, und all den verschlagenen Schlampen erst einmal Manieren beibringen und natürlich das Einmaleins der Menschlichkeit. Als höhere Tochter mit abgeschlossenem Kunstgeschichtsstudium und Grundkenntnissen in Volks- und Hauswirtschaft hat sie im Nachkriegsdeutschland eine gute Partie gemacht und den italienischen Großgrundbesitzer und Baron Francesco Altamura (Fabrizio Contri) geehelicht. Fortan zieht sie auf Sizilien mit großen blauen Augen und dem Geist hartnäckiger Aufklärung gegen eine Meute mutterfixierter Mystiker zu Felde, die keine Rechnung ohne den Rosenkranz erledigen.

Gleich in der ersten Episode „Das Verbrechen“ erteilt die Serie unserer Barbara das Wort, um die Grundregeln der sozialen Marktwirtschaft zu erklären. Ihr Mann, der Baron, will aus seinen Ländereien ein modernes landwirtschaftliches Unternehmen machen, das zahlreiche Kleinbauern unter Vertrag nehmen soll. Eher aus caritativem Ansinnen heraus, versteht sich, denn aus dem Wunsch nach einträglichen Pachterträgen. „Es sind immer die Träume einzelner gewesen, die das Leben der Menschen verändert haben“, empfiehlt die Baronessa in glühender Rede den Inselmafiosi diesen reformierten Feudalismus. „In Deutschland ist alles anders“, gähnt da die sizilianische Mischpoke zurück, „da dürfen Frauen reden und ihre Nase in Geschäfte stecken“. Schon bald gemahnen die Eingeborenen und überhaupt die Moral des Filmes die blonde Frau an ihre biologische Bestimmung. Ihr Sohn wird entführt, Mutterliebe und eindrucksvolle Schluchzereien sind jetzt gefragt.

Verhandelte die Serie unter der Regie von Giacomo Battiato Barbaras Auftritte zunächst als emanzipatorische Offenbarung, werden sie jetzt ebenso leicht in Szenen rührender Hilflosigkeit überführt. Wer soviel fühlt, darf sich auch in den Kommissar Carlo Acuti verlieben, der vom italienischen Jungmädchenschwarm Raoul Bova gespielt wird. Mit Liebe, Leidenschaft kurz: mit der wilden Natur – so will es die kaum versteckte Botschaft in diesem ressentimentreichen Länderspiel – kriegt man jede noch so durchzivilisierte Potsdamer Punzel.

Und während Carlo und Barbara sich weitere drei Folgen abrakkern im Kampf gegen wutdampfende Gatten, ballernde Ganoven und die Zumutungen eines Landes, in dem es „schlimmer als in Afrika“ zugeht, hat eines schon längst gewonnen. Das Geldsäckel der europäischen TV-Nasen. „Solange es Liebe gibt“, der in Italien bereits unter dem beliebten Titel „Allein gegen die Mafia“ lief, erreichte hier eine Einschaltquote von 53 Prozent – eine Eurovision ohne Risiko also auch für den deutschen Markt.

Für eine europäische TV-Großproduktion, an der neben dem italienischen Fernsehen RAI und der ZDF- Tochter „ZDF Enterprises“ auch Schwedens SVT als Coproduzentin auftritt, müffelt mit Klings Redlichkeitsauftritten die Deutschtümelei ganz schön durch. Der visuelle Aufwand für den Lore-Stoff von der armen Baroness ist jedoch im Vergleich zu früheren EG-Produkten beträchtlich. Vorbei die Zeiten flach ausgeleuchteter Fotoromane: Jetzt wird mit jedem verheißungsvollen Chauffeursblick in den Rückspiegel mindestens ein Mord vorweggenommen und aufgeregt das große Kino zitiert. Mit jeder komplizierten Kamerafahrt schmeißt sich das kleine Fernsehen nun stolz in die Hühnerbrust und entdeckt sein europäisches Territorium noch einmal neu. Ein hübscher kleiner Flecken. Den nehmen wir! Birgit Glombitza