Kommentar
: Kurzsichtige Klientelpolitik

■ Beschäftigungspakt ist Mogelpackung

Jeder nimmt, was er bekommen kann. Das ist menschlich. Wenn die CDU den Gewerkschaften nun verspricht, im öffentlichen Dienst keine Stellen mehr einzusparen, warum sollten die Vertreter der Arbeitnehmer das ausschlagen? Sie sind schließlich dazu da, die Interessen ihrer Klientel zu vertreten.

Doch die Vereinbarung, die die Union ihnen offeriert, ist eine Mogelpackung. Wahrscheinlich hat die CDU den Aufschrei der Finanzsenatorin ins Kalkül gezogen. Die SPD wird den Vertragsabschluß bis zur Wahl hinauszögern. Dann hätte der Pakt den Gewerkschaften nichts gebracht. Sie hätten sich nur als Wahlkampfmunition mißbrauchen lassen.

Noch schlimmer aber wäre es, würden Werthebach und Diepgen das Abkommen kurzerhand unterschreiben. Dann wären den Haushaltspolitikern in den kommenden fünf Jahren alle Hände gebunden. Schon der Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen, den alle Parteien aus guten Gründen unterstützen, hat zu einer gefährlichen Schieflage geführt: Weil Personalüberhänge aus den fetten Jahren Ost- wie West-Berlins weiter bezahlt werden müssen, fehlt das Geld für Neueinstellungen in wichtigen Bereichen.

Dürften Stellen aber überhaupt nicht mehr, also nicht einmal sozialverträglich, abgebaut werden, dann gibt es gar keinen Spielraum mehr. Dann kommen all jene Institutionen unter die Räder, die nicht im Stellenplan des Landes stehen, weil sie globale Zuschüsse erhalten. Das betrifft vor allem Hochschulen und Kultur, aber auch den Sozialbereich.

Vor allem aber vergehen sich Gewerkschafter wie Unionspolitiker an der Generationengerechtigkeit. Den häufig wenig motivierten Staatsdienern, die ihren Arbeitsplatz einzig und allein dem Lebensalter zu verdanken haben, wird für ihren sicheren Job keinerlei Gegenleistung abverlangt. Für den Nachwuchs dagegen ist von Beschäftigungssicherung keine Rede. Nicht einmal zu Teilzeitmodellen oder zum Abbau bezahlter Überstunden wollten sich die Verhandlungspartner herablassen.

Bleibt zu hoffen, daß Verfechter einer kurzsichtigen Klientelpolitik den Bogen so weit überspannt haben, daß die WählerInnen das Spiel am Ende doch durchschauen. Ralph Bollmann