„Die Rookies sagen puuh“

■  Basketballprofi Detlef Schrempf über die neuen, respektlosen Zeiten in der nordamerikanischen NBA, seinen deutschen Kollegen Dirk Nowitzki, seine Philosophie vom Spiel und seine Zukunft

taz: Herr Schrempf , hat Sie eigentlich mal Dirk Nowitzki angerufen?Sie hatten dem deutschen NBA-Neuling Ihre Nummer für Problemfälle gegeben.

Detlef Schrempf: Nein, hat er nicht. Er hat anscheinend keine Probleme.

Falls er noch anruft, was würden Sie Nowitzki an Tips und Ratschlägen für eine erfolgreiche NBA-Laufbahn geben?

Generell kann man da schwer was sagen. Es kommt darauf an, was er mir für Fragen stellen würde. Es ist ein wildes Leben, etwas ganz Ungewöhnliches.

Was hätten Sie besser vermieden in mehr als 13 Jahren NBA?

Wenn ich am Anfang egoistischer gewesen wäre, wäre ich vielleicht erfolgreicher gewesen, hätte mehr gespielt oder einen besseren Vertrag bekommen. Aber ich kann mich nicht darüber beklagen, wie es gelaufen ist. Ich war ziemlich erfolgreich und viele Sachen, die man mit egoistischem Spiel bekommt, sind für mich nach wie vor zweitrangig.

„Ich hasse Egoismus und Show“, hat man Sie zitiert. Sind das nicht gerade Eckpfeiler des NBA-Spiels?

Ich hasse Egoismus, wenn man sich damit vor das Mannschaftsspiel stellt. Ich mag nicht, wenn man als Team gewinnt und die Leute in der Umkleidekabine sind sauer, weil sie nicht genug Punkte gemacht haben.

Und Show?

Okay, wir machen Entertainment – das ist unser Beruf. Die Show, die ich nicht mag, ist, wenn man einen Dunking macht und dann zehn Meter lang schreiend übers Feld laufen muß. Das ist nicht mein Basketball. Das wirkt sich negativ auf unsere Jugend aus.

Stehen die Kids nicht gerade auf die bad guys der Liga, deren Aktionen sie beim Streetball zu kopieren versuchen?

Falls ja, dann haben die aber noch nicht richtig NBA geschaut. Kein Charles Barkley, kein Tim Duncan oder David Robinson macht solche Geschichten. Junge Spieler machen so was. Die Medien greifen das gerne auf. Ein ganz normaler Typ, der gut Basketball spielt, ist offenbar langweilig. Aber wenn man bei jemandem Marihuana im Auto findet – das ist die große Geschichte.

Was hat sich seit Ihrem Draft in der NBA verändert?

Der Respekt hat sich verändert. Es gab ungeschriebene Gesetze, die man zum Beispiel als Rookie einhalten mußte. Taschen, Bälle tragen, zum Beispiel.

Heutzutage ...

... sagen die Rookies, puuh, nicht ich. Wenn ein Neuling mehr verdient als einer, der zehn Jahre dabei ist, dann macht der Rookie das nicht mehr. Heute glauben die Spieler, jeder sei ihnen was schuldig. Ich denke aber, daß wir den Zuschauern und Fans etwas schuldig sind.

Für Dirk Nowitzki gelten die alten Regeln noch. Er mußte Gepäck schleppen und hatte keinen Stuhl in der Umkleidekabine.

Das ist gut. Das gibt es bei den meisten Mannschaften nicht mehr.

Herr Schrempf, wie wird es bei Ihnen weitergehen?

Ich weiß noch nicht. Keine Ahnung.

Wird man Sie überhaupt noch auf dem Spielfeld sehen?

Ich glaub' schon. Ein Jahr will ich noch spielen. Ich würde gerne in Seattle bleiben, aber die müssen da einige große Entscheidungen treffen. Es stehen Veränderungen an. Wir brauchen noch ein paar gute Spieler. Ich weiß nicht, was passieren wird.

Das Scheitern der Sonics in den Play-offs ist fast schon legendär. Vergangene Saison hat es nicht mal dafür gereicht.

Die letzte Halbsaison, die wir gespielt haben, die war einfach furchtbar. Das war ziemlich enttäuschend, auch von der Einstellung. Deswegen bestehen die Pläne, eine neue Mannschaft zu formen, bis auf die Grundpfeiler, hoffe ich.

Wie verhindert man während der extremen NBA-Saison einen Burn-out?

Rookies haben damit ein großes Problem, daß sie eine halbe Saison spielen und es dann gar nicht fassen können, daß erst die Hälfte der Saison vorbei ist. Viele fallen ab. Nach den Jahren gewöhnt man sich dran. Das ist kein körperliches Problem, sondern ein mentales.

Wie definieren Sie Professionalität?

Man macht, was man von anderen Leuten auch erwartet. Pünktlichkeit, alles geben gehört dazu. Für die paar Stunden am Tag kann das nicht so schwierig sein.

Gibt es in der NBA eine Rivalität zwischen dunkelhäutigen und weißen Spielern?

Davon merke ich in den USA nichts.

In konservativen Gegenden stehen mehr Weiße als anderswo im Team, etwa in der Mormonenstadt Salt Lake City, wo die Utah Jazz zu Hause sind.

Ich glaube eher, daß es daran liegt, wen sie gedraftet haben und wen der Coach lieber hat. In Utah sind mehr Rollenspieler als talentierte Individualisten gefragt.

Warum haben Sie es in der NBA geschafft, Ihre deutschen Kollegen Gnad, Welp oder Harnisch aber nicht?

Ich sehe mich nicht als Einzelkämpfer für eine Nation. Ich war immer nur ein Basketballspieler. Ich habe mich auch nie als Ausländer gesehen. Die meisten wußten gar nicht, daß ich ein Deutscher war.

Als Detlef? Und Schrempf?

Okay, der komische Name ist aufgefallen. Bist du irgendwo anders geboren, hat man mich gefragt. Ich liebe Basketball und könnte es den ganzen Tag machen. Damals, als ich noch in Leverkusen Basketball spielte, wußte die Hälfte meiner Schulkameraden nicht mal, was das für ein Sport war.

Wie wird Ihr Leben nach dem Basketball aussehen?

Gut soll es werden. Ich will viel Zeit mit meiner Familie, mit meinen Kindern verbringen. Andere Sachen machen, womit ich Spaß habe. Ich werde einiges nachholen. Interview: Markus Völker