Fressen oder gefressen werden

■ Ölkonzern Elf wehrt sich per Gegenangebot gegen feindliche Übernahme durch Total

Berlin (taz) – „Warum hat eigentlich nicht Elf das Übernahmeangebot gemacht?“ fragte sich mancher Analyst schon vor zwei Wochen verwundert. Damals hatte Total-Fina-Chef Thierry Desmarest verkündet, er wolle die Kontrolle über den direkten Konkurrenten Elf Aquitaine übernehmen, und gleichzeitig eine Offerte für einen Aktientausch hingelegt: Für drei Elf-Anteile gebe es vier Total-Finas.

Total-Fina ist der größte Mineralölkonzern Frankreichs, und Elf-Boß Philippe Jaffre brauchte damals nur wenige Minuten, um das Angebot als „feindlich“ zu bezeichnen und zurückzuweisen. Die Gegenstrategie zu entwerfen dauerte länger. Gestern hat Jaffre sich endlich entschieden: D'accord, ein Zusammengehen der beiden Konzerne ergebe Sinn, erklärte er. Aber nur, wenn er das Sagen habe. Nun macht er, der Kleinere, sein Gegenangebot: Drei Elf-Aktien für fünf Total-Finas, plus 190 Euro in bar – der Total-Fina-Kurs lag gestern bei 132 Euro. Ein Teil der Kosten der 50 Milliarden Euro teuren Übernahme soll durch den Verkauf von Beteiligungen im Wert von 5 Milliarden Euro hereinkommen.

Die Aktionäre beider Konzerne – die übrigens zu fast zwei Dritteln identisch sind – haben nun die Wahl zwischen zwei Firmenkonzepten. Desmarest will Elf in Total-Fina integrieren und den Konzern dann verkleinern, indem er Unternehmensteile verkauft. Durch die Übernahme hofft er auf Einsparungsmöglichkeiten von rund 1,2 Milliarden Euro jährlich. 4.200 der weltweit etwa 155.000 Jobs sollen gestrichen werden.

Jaffre mußte nun natürlich mehr versprechen: Sein Vorschlag sieht Einsparmöglichkeiten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro im Jahr und 6.000 Stellen vor. Um das zu erreichen, soll der neue Konzern geteilt werden, so daß neben dem viertgrößten Mineralölunternehmen der Welt auch ein neuer Chemieriese entstünde – der immerhin auf Platz fünf der Weltrangliste stünde.

Branchenkenner sind skeptisch. Man habe zwar mit einem Gegenangebot gerechnet, sagte der Analyst einer deutschen Bank. „Aber das neue Konzept scheint doch sehr gewagt.“ Der komplette Umbau könne den Gesamtkonzern empfindlich schwächen, zumal die chemische Industrie unter der Asienkrise leide, die die Preise auf den Weltmärkten gedrückt habe.

„Das ist die einzige Möglichkeit, die Elf blieb, wenn sich der Konzern nicht einfach schlucken lassen wollte“, meinte ein anderer Ökonom, der sich aber noch nicht zu den Erfolgsaussichten des sogenannten „pac-man-Angriffs“ äußern wollte. Die Kronjuwelen-Strategie, bei der das angegriffene Unternehmen sich unattraktiv macht, indem es wichtige Geschäftsteile verkauft, sei „selbstredend“ nicht in Frage gekommen.

Und einem „weißem Ritter“, einem von Elf eher akzeptierten anderen Partner, der aus dem Ausland gekommen wäre, hätte die französische Regierung, die ein Vetorecht bei Elf hat, wohl die Zustimmung verweigert: Ihr ist ein starker französischer Konzern allemal lieber – zumal sie nach eigener Einschätzung auch beim fusionierten Konzern eine Sperrminorität besitzen würde. Beate Willms