Bundesbürger gegen Emssperrwerk

■ Mehr als achtzig Prozent sind gegen ein Sperrwerk für die Meyer-Werft im Vogelschutzgebiet. Doch Niedersachsens SPD-Regierung will das Projekt durchziehen

Hannover (taz) – Noch in dieser Woche will die niedersächsische Landesregierung das umstrittene Sperrwerk in der Ems ein zweites Mal genehmigen. Es soll den Kreuzfahrtschiffen, die in der Papenburger Meyer-Werft gebaut wurden, den Weg zum Meer erleichtern. Man werde dem Verwaltungsgericht Oldenburg einen neuen Planfeststellungsbeschluß zuleiten und gleichzeitig die Aufhebung des gerichtlich verfügten Baustopps beantragen, so kündigte es Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Glogowski am Wochenende an. Populär ist Glogowskis unentwegter Kampf für das Stauwehr, das bei Gandersum im EU-Vogelschutzgebiet entstehen soll, allerdings nicht. Das zeigen jetzt die Ergebnisse einer vom WWF-Deutschland bei Emnid in Auftrag gegeben Meinungsumfrage. In der Umfrage waren 87 Prozent der repräsentativ ausgewählten Bundesbürger der Auffassung, daß man ohne den Sperrwerksbau Arbeitsplätze und Natur in der Emsregion erhalten solle.

Auch in Niedersachsen, das das Sperrwerksprojekt seinem ehemaligen Ministerpräsidenten und dem heutigen Kanzler Gerhard Schröder verdankt, sprachen sich 84 Prozent der Befragten gegen das Stauwehr aus. Die Bundesbürger sind umweltbewußter als Politiker wie Schröder, der sogar seinen Besuch bei der Feier zum hundertsten Jubiläum des Naturschutzbundes Deutschland hastig absagte, nur weil die kurz vorher das Bauwerk in der Ems kritisiert hatten.

Doch 59 Prozent der von Emnid befragten Bundesbürger und auch noch 53 Prozent der befragten Niedersachsen glauben nicht, daß sich die Arbeitsplätze auf der im Binnenland gelegenen Meyer-Werft langfristig durch dasSperrwerk sichern lassen. Für eine Verlagerung der Werft aus Papenburg ans tiefe Wasser plädierten sogar 84 Prozent der Befragten.

Daß das Sperrwerk tatsächlich nur wegen der Werft und nicht aus Gründen des Küstenschutzes gebaut wird, haben die Umweltverbände jetzt in ihrer Stellungnahme zum zweiten Bauantrag noch einmal klar nachgewiesen. An der Ems sind derzeit nur knapp 10 Kilometer Flußdeiche überholungsbedürftig. Bis 2095, wenn auch ein neues Emssperrwerk längst seine Lebendauer überschritten hätte, müßten insgesamt nur 20 Kilometer Emsdeiche und ein Sperrwerk an einem Zufluß der Ems erneuert werden, sagte gestern Holger Wesemüller vom WWF. Das koste lediglich rund 50 Millionen Mark. Das Sperrwerk ist mindestens 300 Millionen Mark teurer.

Die EU-Kommission hat jetzt dennoch auf ein wettbewerbsrechtliches Hauptverfahren wegen des Sperrwerksbaus verzichtet. Karel Van Miert sieht in dem Sperrwerksbau inzwischen keine unzulässige Subventionierung der Meyer-Werft mehr. Den Verzicht auf das Verfahren teilte Van Miert am Freitag dem Kanzleramt mit.

Zuvor hatte die niedersächsische Landesregierung mit der Meyer-Werft Gebühren für das Aufstauen der Ems zur Überführung von Schiffen vereinbart. Kostendeckend sollen diese Gebühren laut Glogowski sein. Gedacht ist allerdings nur an 5.000 Mark pro Stunde. Die Mehrkosten der Sperrwerkslösung dürften auf diese Weise so schnell nicht zu dekken sein. Jürgen Voges