Europa? – Nicht ohne meine Muttersprache!

■ Treffen der EU-Kulturbeauftragten ohne Deutschsprachige

Berlin (taz) – Die Kulturbeauftragen der Bundesrepublik und Österreichs, Michael Naumann und Peter Wittmann, boykottieren ein informelles Treffen der EU-Kulturminister im finnischen Savonlinna. Damit protestierten beide im Namen ihrer Regierungen gegen Finnlands Weigerung, während seiner EU-Ratspräsidentschaft auch bei Arbeitstreffen deutsche Übersetzungen anzubieten. Aus dem selben Grund waren die Delegationen beider Länder bereits einem Meinungsaustausch der EU-Industrieminister Anfang Juli in Oulu ferngeblieben. Bislang werden bei informellen Treffen Englisch, Französisch sowie die Sprache des jeweiligen Gastgeberlands verwendet.

„Bis es wieder eine Übersetzungskabine für Deutsch gibt“, wolle man zusammen mit Deutschland verhindern, daß die deutsche Sprache während der finnischen Präsidentschaft nur bei 8 von insgesamt 14 informellen EU-Ministertreffen als Arbeitssprache zugelassen werde, hieß es im österreichischen Außenministerium. Der deutsche Staatsminister für Kultur, Naumann (SPD), wies darauf hin, daß Deutsch die am weitesten verbreitete Sprache in der Europäischen Union sei. Gegenüber den „Tagesthemen“ bezeichnete Naumann Deutsch gar als „eine europäische Ursprache.“

Die finnische Seite argumentiert weniger historisch: „Bei allem Respekt, es gibt zwar 90 Millionen Menschen, für die Deutsch Muttersprache ist, aber es gibt nur zwei Delegationen“, so ein Sprecher der finnischen EU-Präsidentschaft gegenüber der taz. Der finnische Ministerpräsident Paavo Lipponen kündigte an, im Sprachenstreit hart bleiben zu wollen – und verwies auf die Arbeitstreffen der Europäischen Zentralbank, auf denen nur Englisch gesprochen werde. Zudem hätte sich die Beteiligten auch bei den vorangegangenen deutschen, österreichischen und britischen Ratspräsidentschaften gut verständigen können. Und auch die EU-Außenminister seien bei ihren informellen Treffen ohne Deutsch problemlos ausgekommen.

Statt einer Zulassung von mehr Sprachen will Finnland eine EU-Sprachreform bis zum Ende seiner Präsidentschaft im Januar 2000 vorantreiben – mit dem Ziel, die Zahl der Arbeitssprachen zu reduzieren. Den Vorwurf der Sprachfeindlichkeit widerlege schon ein Blick ins Internet: Unter http://presidency.finland.fi/frame.asp liegen seit Beginn der finnischen Präsidentschaft alle EU-Beschlüsse nicht nur auf Englisch, Französisch und Finnisch – sondern auch in lateinischer Übersetzung. Völlig zufällig, wie man in Helsinki betont. Andreas Finke

Kommentar Seite 10