Kommentar
: Referendum über die Rente

■ Berliner Wahl ist Signal für den Bund

Die Berliner SPD hat sich viel vorgenommen. Sie macht die Wahl am 10. Oktober zum Referendum über das Zukunftsprogramm der Bundesregierung. Damit setzt sie nicht nur selbst alles auf eine Karte. Sie bürdet auch der Bundespartei ein hohes Risiko auf: Ausgerechnet vom Wahlergebnis eines der schwächsten Landesverbände wird der Fortgang der rot-grünen Sparpolitik entscheidend abhängen.

„Wenn die Landtagswahlen im Herbst verloren gehen“, sagt SPD-Landeschef Peter Strieder, „dann ist der Reformwille in Deutschland gebrochen.“ In Brandenburg und im Saarland, wo am 5. September gewählt wird, haben sich die SPD-Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und Reinhard Klimmt vorsorglich von der Rentenpolitik im Bund abgesetzt. Und in Thüringen hat Richard Dewes, Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 12. September, flugs eine Ausnahmeregelung für den Osten gefordert.

Allein die Berliner Genossen stehen in Nibelungentreue zur Bundespartei. Eine Alternative hatten sie auch nicht: Schließlich fahren sie schon seit Jahren einen Sparkurs, der eine Fundamentalopposition gegen Hans Eichel wenig glaubwürdig erscheinen ließe. Und im September wird der Bundestag in der neuen Hauptstadt über die Reformen debattieren. Ein Aufstand der SPD-Landespolitiker vor Ort wäre dann wenig vorteilhaft – zumal sie selbst vom Einzug der Bundesregierung, die in Berlin trotz allen Gegenwinds noch immer weit populärer ist als der gebeutelte SPD-Landesverband, profitieren möchten.

Für Schröders Kabinett allerdings ist die Unterstützung aus Berlin ein Danaergeschenk. Wenn die Bundespolitiker im Herbst zwischen Momper-Plakaten durch die Stadt kutschieren, werden sie mit Grausen daran denken, daß dieser Mann auch ihr Geschick in seinen Händen hält. Immerhin wäre das ein Ansporn für die Bundesprominenz, sich stärker im Berliner Wahlkampf zu engagieren.

Ein Glück auch, daß es nicht viel zu verlieren gibt. Bei einer Ausgangsbasis von 23,6 Prozent wird die SPD nahezu jedes Ergebnis als Wahlsieg ausgeben können. Ralph Bollmann

Bericht Seite 20